Dein ist die Rache. McAvoys zweiter Fall: Ein Yorkshire-Krimi (Ein Aector-McAvoy-Krimi) (German Edition)
ein Lächeln.
»Waren sie gemein zu Ihnen, Chefin? Die Bosse?«
»Das sind alles Wichser, Aector.«
»Waren Sie es nicht, die mir geraten hat, nicht zu viel von den Menschen zu erwarten? Weil man nicht überrascht sein sollte, wenn ein Idiot sich als Idiot entpuppt?«
Pharaoh hebt den Kopf von seiner Schulter und verzieht das Gesicht. »Ich soll das gesagt haben? Ich glaube nicht, dass ich ›Idiot‹ gesagt habe.«
»Sie sagten sogar ›Vollidiot‹, wenn ich mich recht entsinne.«
»Ja, jetzt fällt es mir langsam wieder ein.«
Pharaoh hat den ganzen Morgen mit dem Kripochef verbracht, Detective Chief Superintendent Andrew Davey. Seine Untergebenen nennen ihn »Erbsenzähler«. Im Grunde ist er ein ganz anständiger Karrierebeamter Ende vierzig, dessen ganzes Leben aus dem Ausfüllen von Formularen, Verfassen von Komiteeberichten und dem ebenso verzweifelten wie sinnlosen Führen von Urlaubsplänen besteht. In die Leitung der verschiedenen Kripoteams mischt er sich gewöhnlich nicht ein. Er ist ein drahtiger, elegant gekleideter Mann mit chronischen Verdauungsstörungen und einer Brille, die Rillen in seine langen Nasenflügel schneidet. Für McAvoy sieht er aus wie jemand, der sich mal richtig ausheulen sollte.
»Wie ist es gelaufen?«
Pharaoh verdreht die Augen. Ihre Wimpern kleben kurz zusammen, und sie trennt sie mit einem Fingernagel, der zwar bis zum Nagelbett abgekaut, dafür jedoch rot lackiert ist.
»Ich stehe unter ›Beobachtung‹, was immer das heißen mag. Shauns Ermordung geht an die normale Kripo, zwar unter meiner Leitung, aber sie haben deutlich gemacht, dass sie mir im Moment nicht einmal zutrauen, auf einen Teekessel aufzupassen. Davey scheint zu denken, dass Leanne uns hinters Licht geführt hätte. Aber Sie und ich, wir wissen, was für ein Quatsch das ist. Das ist einfach nicht ihre Art. Sie ist entweder derart in Panik, dass sie untergetaucht ist, oder die Kerle haben sie auch erwischt …«
McAvoy begegnet flüchtig ihrem Blick und sieht schnell wieder weg.
»Wir kriegen sie«, sagt er. »Nagelpistole und Lötlampe. Die können nicht einfach …«
»Nagelpistole und Lötlampe. Das klingt wie ein Tag-Team, Aector. Oder irgendwelche echt üblen Superhelden.«
»Und der dritte Mann«, fährt McAvoy fort. »Das passt einfach nicht zusammen. Nichts davon. Die wollten ein Zeichen setzen. Wir müssen ihnen eines zurückschicken. Sie kriegen sie, Chefin.«
Pharaoh lächelt. »Wir kriegen sie«, meint sie. »Na, jedenfalls irgendjemand. Ich nicht. Ich bin erst einmal kaltgestellt. Aus der Schusslinie. Ich soll mich mit den ›peripheren Aspekten‹ des Falls beschäftigen, was sicher mein Wort des Tages ist.«
McAvoy schließt die Augen. Schüttelt den Kopf.
»Colin Ray?«
Pharaoh lächelt bedauernd. »Ja, er übernimmt die Leitung. Mit frischem Blick auf das, was wir bisher herausgefunden haben. Mir bleiben Daniells und eine Liste mit Aufträgen. Anscheinend halten sie Ray für den Richtigen, um neuen Schwung in den Fall zu bringen.«
»Aber Sie haben gekämpft«, sagt McAvoy angewidert. »Ich weiß, dass Sie gekämpft haben.«
Pharaoh hebt die Hand und streckt den Zeigefinger aus. »Ich glaube, einer meiner Nägel steckt noch in seinem Schreibtisch.«
McAvoy weiß nicht, was er sagen soll, also starrt er einfach zu Boden. Endlich stößt Pharaoh einen Seufzer aus und richtet sich auf. »Ach, kommen Sie«, meint sie munter. »Mit Ihnen hat das nicht viel zu tun. Sie sollten sowieso nicht so misstrauisch gegenüber Ray sein. Er ist ein guter Cop, aber halt ein Arschloch. Sie haben Wichtigeres zu tun, zum Beispiel einen Bericht zu schreiben, dass ich absolute Spitzenklasse bin und sie mir lieber mehr Ressourcen und Geld und eine tägliche Flasche Zinfandel genehmigen sollen.«
McAvoy fährt sich übers Gesicht und lächelt schließlich. »Ich tue mein Bestes.«
»Ich will gar nicht wissen, wie’s aussieht.« Es ist unverkennbar eine Frage. »Wir sind teuer, nicht wahr? Die Einheit? Sie wissen doch, dass wir bei Budgetkürzungen als Erste dran glauben müssen, egal, was der neue Vorsitzende sagt. Und wir haben in den letzten Tagen ein paarmal Riesenmist gebaut.«
»Das war nicht Ihre Schuld«, widerspricht er überzeugt.
Sie betrachtet den regengepeitschten Parkplatz vor dem Fenster. Ringt sich zu einem Lächeln durch.
»Danke, Aector, aber meine Sternstunde war es nicht gerade. Ich hätte die Razzia nicht durchziehen dürfen, ohne hundertprozentig sicher zu sein. Immerhin
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