Dein ist die Rache. McAvoys zweiter Fall: Ein Yorkshire-Krimi (Ein Aector-McAvoy-Krimi) (German Edition)
Augen zu tränen beginnen. Spürt das Brennen in seiner Lunge.
Nicht nachlassen, Col, nur nicht nachlassen …
Er schafft es die Treppen hinauf, ohne ausatmen zu müssen.
Sechs, sieben, acht Schritte in dem grünlich getünchten Korridor.
Tränende Augen, klopfendes Herz …
Drückt den Türgriff herunter und betritt Verhörraum B.
Er atmet aus. Erfüllt den kalten, feuchten Raum mit dem Geruch nach Zigaretten.
»Dachte, ich lasse Sie auch mal schnuppern«, sagt er und intoniert einen trockenen Hustenanfall.
Die Verhörräume bei der Polizei sind seit 2007 Nichtraucherzonen. Raucher sind der Gnade ihrer Verhörleiter ausgeliefert, wenn sie einen Nikotinschub brauchen. Colin Ray fühlt sich nicht gnädig. Hat das Zimmer auf eine Kippe verlassen, aber Alan Rourkes Bitte ausgeschlagen, ihn begleiten zu dürfen.
»Sie sollten aufhören mit dem Rauchen, mein Freund«, meint Ray, während er den Stuhl zurückzieht und sich schwer hineinfallen lässt. Er wischt sich mit dem Handrücken über Augen und Nase. »Tut Ihnen nicht gut. Sie sehen scheiße aus.«
Rourke blickt auf. Zuckt die Achseln. »Muss für Sie ja sein, als sehen Sie in einen Spiegel.«
Ray lächelt. Er hat die letzte Stunde genossen, in der er mit diesem zähen, unerschütterlichen Rom verbal die Klingen gekreuzt hat. Rourke hat nichts zugegeben. Mit einer knappen Geste das Angebot eines Anwalts vom Tisch gewischt und sich in Varianten von »kein Kommentar« geäußert. Er wirkt völlig unbesorgt. Macht den Eindruck eines Mannes, der lieber ewig hier sitzen würde, als der Polizei bei ihren Ermittlungen zu helfen. Die Tür geht wieder auf, und Shaz Archer stakst auf unglaublich hohen Absätzen herein. Sie hat sich umgezogen, nachdem es ihr nicht gelungen ist, mit ihrer vorherigen Aufmachung Rourkes Aufmerksamkeit zu erregen. Sie trägt eine modisch gemusterte Strumpfhose, einen teuren, halblangen Rock und ein fließendes, getupftes Top mit einer schwarzen Weste. Sie wirkt elegant, sexy und ganz anders als ihre Kollegen. Sie ist das Gegenteil von Helen Tremberg. Sie betont ihre Sexualität und gestattet Verdächtigen gerne einen Blick in ihren Ausschnitt, wenn sie dann aus Dankbarkeit zu plaudern anfangen. Rourke scheint sie damit bisher nicht beeindrucken zu können.
»Siehst scharf aus, Shaz«, sagt Ray und spitzt anerkennend die Lippen.
»Mir war eiskalt. An meinen Nippeln hättest du deinen Hut aufhängen können.«
»Ich trage keine Hüte.«
»Mit dir habe ich auch nicht geredet, Col.«
Rourke schenkt ihr ein anerkennendes, wissendes Lächeln. Er beißt nicht an.
»Hier drinnen riecht es wie ein Aschenbecher«, sagt Archer und schlägt die Beine mit einem sinnlichen Rauschen von Nylon auf Seide übereinander.
»Versprüh dein Parfüm, meine Liebe. Verwöhn uns.«
Archer greift in die Handtasche und zieht einen Flakon heraus. Sprüht in die Luft. Dann noch ein bisschen mehr auf die Handgelenke, bevor sie den Hals lang macht und sich etwas unter die Ohren tupft. Die Vorstellung wirkt ausgesprochen sexy, aber Rourke ignoriert sie. Starrt einfach an die Wand. Wendet sich ihr erst zu, als der Duft an seine Nase dringt.
»Jetzt riecht es wie im Bordell«, meint er.
»Das ist Chanel«, erwidert Archer scharf.
»Teures Bordell eben«, gibt er zurück und gähnt lauthals.
Ray nickt seiner Kollegin zu. Sie wirbelt mit ihrem Stuhl herum und schaltet das Tonbandgerät ein.
»Es ist 20 : 09 Uhr. Anwesend sind Detective Chief Inspector Colin Ray, Detective Inspector Sharon Archer und der Verdächtige Alan Rourke. Nun, Mr Rourke, wo waren wir?«
Rourke kippelt seinen Stuhl nach hinten. »Genau hier, meine Liebe. Die ganze Zeit. Und haben uns glänzend amüsiert.«
»In der Tat«, sagt Ray, saugt die Wangen ein und kratzt an etwas Ekligem am Aufschlag seines schmutzigen Nadelstreifenanzugs. »Wir sprachen davon, dass sich Ihre Fingerabdrücke auf dem Brandsatz befanden, der auf ein Polizeifahrzeug geworfen wurde. Wir sprachen davon, dass Ihre Hunde zwei Polizeibeamte angegriffen haben. Wir sitzen hier und sind ganz Ohr, warten darauf, dass Sie den Mund aufmachen und uns etwas in dem Scheiß-Kauderwelsch vorsingen, das ihr Zigeunerärsche eben so sprecht.«
Da das Band jedes Wort aufzeichnet, sollte Ray sich vielleicht etwas vorsichtiger ausdrücken, aber falls er sich um ein mögliches Nachspiel sorgt, merkt man nichts davon.
Rourke sagt gar nichts. Lächelt schief.
»Go n-ithe an cat thu, is go n-ithe an diabhal an cat.«
Ray und Archer
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