Dein ist die Rache. McAvoys zweiter Fall: Ein Yorkshire-Krimi (Ein Aector-McAvoy-Krimi) (German Edition)
von der Hessle Road, die nicht so recht weiß, ob sie stolz sein oder sich schämen soll, dass ihr Jüngster Polizist geworden ist.
»Ein junger Kerl«, sagt er nach einer Weile. »Wurde vor ein paar Monaten erhängt in seiner Küche aufgefunden. Gab keine Untersuchung, die der Rede wert wäre. Ich bin auf sein altes Mobiltelefon gestoßen. Es ist voller Nachrichten von einem Sexualpartner, von dem im Bericht kein Wort steht. Und plötzlich brechen sie ab. Da stimmt was nicht. Da steckt mehr dahinter.«
»Forensik?«
McAvoy schweigt. Scheint eine Entscheidung zu fällen. Greift in seine Umhängetasche und fördert den Bericht und seine Notizen zutage. Er rückt seinen Stuhl näher an den Tisch.
»Es besteht kein Zweifel, dass er erstickt ist«, sagt er, von seinem Notizblock ablesend. »Die Pathologin sagte, dass der Strick um seinen Hals definitiv der war, der die Blutzufuhr zu seinem Gehirn abschnitt. Fasern davon waren in die Haut eingebettet. Zu irgendeinem Zeitpunkt in den vorhergehenden vierundzwanzig Stunden war er sexuell aktiv. Anale Penetration. Keine DNA auffindbar. Er war anscheinend vollständig mit Babyöl eingeschmiert. Hatte ungefähr zwei Stunden vor seinem Tod Tagliatelle aus der Mikrowelle und einen Penguin-Keks gegessen. Und ein Glas frischen Orangensaft getrunken.«
»Und dann beschließt er plötzlich, dass er das Leben satthat? Ich weiß, diese Fertiggerichte sind schauderhaft, aber …«
»Die Akte ging an die Kripo, und die haben sich ungefähr dreißig Sekunden lang damit befasst. Das Urteil des Coroners lautete auf ungeklärte Todesursache, weil kein Abschiedsbrief vorhanden war, aber es gab keine Untersuchung. In der Inventarliste wird das Mobiltelefon nicht erwähnt, obwohl er praktisch ständig damit zugange war.«
»Und jetzt haben Sie es?«, fragt Ben neugierig.
Ich weiß nicht. Vielleicht. Wenn er seine eigene Nummer in seinem Telefon gespeichert hatte …
»Das spielt keine Rolle«, winkt er ab. »Hört mal, ich habe heute mit seiner Tante gesprochen. Sie sagt, es gab keinerlei Anzeichen, dass er lebensmüde war.«
Tremberg und Neilsen sehen sich an. Etwas geht zwischen ihnen vor, und Tremberg wird wortlos zur Sprecherin ernannt.
»Meinen Sie nicht, es wäre besser, wir halten uns ein wenig zurück?«
»Verzeihen Sie?«
»Erst dieser Schlamassel neulich Nacht, dann die Sache mit Pharaoh, wollen wir jetzt wirklich behaupten, die Kripo hätte da etwas übersehen und arbeite nicht sorgfältig? Brauchen wir unbedingt noch einen Mord, für den es keinen Verdächtigen gibt? Ruiniert das unsere Erfolgsstatistik nicht komplett?«
McAvoy sieht sie enttäuscht an. Fast, als hätte sie ihm das Herz gebrochen.
»Ich denke, es ist nichts Wichtiges«, sagt er und belässt es dabei.
Sie bleiben noch ein paar Minuten zusammen sitzen. McAvoy sagt nichts mehr über Simon. Er hat seine Entscheidung getroffen. Pharaohs Verwundung liegt ihm im Magen wie ein eiskalter Schneeball, aber er sieht auch die Chance, die ihre Abwesenheit bietet. Seine direkte Vorgesetzte hat ihm befohlen, sich der Sache anzunehmen. Und solange sie weg ist, kann niemand diesen Befehl widerrufen.
Sie verabschieden sich gutgelaunt voneinander, klappen die Krägen hoch und laufen über den regengepeitschten Parkplatz, über dem langsam die Dunkelheit hereinbricht. McAvoy reißt die Tür seines Wagens auf und wuchtet sich hinein. Wirft den Motor gerade rechtzeitig für die 7-Uhr-Nachrichten an. Eine Polizeibeamtin wurde bei einer Hundeattacke in Anlaby verletzt. Die Polizei erneuert ihren Aufruf an Zeugen des Molotowcocktail-Anschlags am St. Andrew’s Quay, sich zu melden, dem letzten in einer Reihe von Vorfällen im Zusammenhang mit der gewalttätigen Eskalation in der Drogenszene …
Er sieht Tremberg nach, während sie sich in den Verkehr einfädelt. Winkt hinter prasselnden Regenvorhängen, bis Neilsen in seinem Suzuki Swift ihr folgt. Er gibt ihnen dreißig Sekunden Vorsprung. Stellt den Motor ab. Steigt aus und rennt über den Parkplatz zurück.
Er zieht das Telefon aus der Tasche und hält es in seiner warmen, feuchten Hand, während er zur Technikabteilung geht. Als er an die weiße Doppeltür klopft und ihnen sagt, dass Trish Pharaoh darauf besteht, so schnell wie möglich Ergebnisse zu erhalten, hofft er, dass sie seine roten Wangen dem Sprint durch den Regen zuschreiben werden, nicht der Scham über seine Lüge.
Kapitel 14
Colin Ray hält den Rauch in seinen Lungen zurück und fühlt, wie ihm die
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