Dein ist die Rache. McAvoys zweiter Fall: Ein Yorkshire-Krimi (Ein Aector-McAvoy-Krimi) (German Edition)
mit zusammengebissenen Zähnen herausgerückt. Ronan ist sechzehn Jahre alt, ein Jugendlicher noch vor dem Gesetz, der nur in Gegenwart eines Erziehungsberechtigten oder von dazu bestimmten Erwachsenen verhört werden darf. Er ist nicht kooperativ. Brüllt und flucht bloß herum und macht jeden Versuch einer Vernehmung zunichte. Hat sich in die linke Brust einer wohlmeinenden Freiwilligen verkrallt, die sich in Abwesenheit eines Elternteils oder Vormunds zur Verfügung gestellt hatte.
Der Polizeiarzt hat eine psychiatrische Begutachtung angeordnet, doch bis jetzt konnte kein Psychiater aufgetrieben werden. Und so verstreicht die Zeit, und sie haben immer noch keine Ahnung, wer der Mann im Lexus war, warum Ronan die Hunde auf Trish gehetzt hat oder warum sich Alan Rourkes Fingerabdrücke auf dem Molotowcocktail befanden.
Rourke war letzte Nacht entlassen worden, da er bei seinem »Kein Kommentar« blieb und sein Schweigen nur brach, um sich bei Shaz Archer von ganzem Herzen zu bedanken, als sie ihm mitteilte, dass es seinen Hunden gutgehe und man sich bis zur Entscheidung, ob sie eingeschläfert werden sollten oder nicht, in einem Tierheim in der Nähe um sie kümmern würde.
Der Vorteil eines solchen Tages voll Papierkram, Berichten und Ermittlungen vom Schreibtisch aus lag darin, dass McAvoy zu einer vernünftigen Uhrzeit nach Hause kam. Er hatte eine Cottage-Pie und einen Viererpack Bitter vorgefunden. Trank eines davon. Sah seiner Liebsten dabei zu, wie sie die anderen drei leerte. Erzählte seinen Kindern Geschichten.
Er hört ein leises Summen. Fragt sich, ob er irgendwie an sein Handy kommen kann. Schafft es, sich aus dem Bett zu winden. Findet seine Hose auf dem Boden und flucht stumm, als der Anrufer vorher auflegt.
Er sieht die Nummer. Tremberg. Streift ein Paar Rugbyshorts und ein Kapuzenhemd über und tappt nach unten. Er möchte Frühstück machen, bevor er irgendetwas unternimmt, das Roisin an seinem eigentlich freien Tag in Empörung versetzen könnte.
Als er die Küche betritt, kommt ihm eine undeutliche Erinnerung. Gestern Nacht. Kurz nach neun. Roisin stand kichernd neben der Spüle und zückte ein Nudelholz wie einen Knüppel. Roisin, die ihm sagte, man könne sich nicht darauf verlassen, dass ihr Kontakt Hepburns Handy zurückbringen würde, und stattdessen vorschlug, es zu zertrümmern. Und er, der genau wusste, dass es das einzig Richtige war, brachte es nicht fertig, einzuwilligen.
Er nimmt das Handy von der Arbeitsplatte. Schaltet es ein. Füllt den Teekessel, während das Telefon Nachrichten und Anrufe empfängt. Sieht wieder auf das Display. Ein Dutzend Textnachrichten und siebzehn entgangene Anrufe.
Er würde das Telefon gerne der Technik übergeben. Damit sie es inspizieren und als Beweismaterial registrieren kann. Damit es sauber und irgendwie vorschriftsmäßig aussieht. Im Moment befriedigt er nur seine Neugier.
Halbherzig und mit gespitzten Lippen sieht er die Nachrichten durch. Noch ein paar von Mark Cabourne.
IGNORIERST DU MICH ?!
Er hat wieder angerufen! Was will der? Bitte. xx
Was habe ich dir getan?
Warum bist du so? Ich brauche dich. Ich brauche das. Bitte schreib. xx
McAvoy fährt sich übers Gesicht, und der Frieden des Schlafes verpufft. Er kann nicht anders. Er kann jetzt nicht mehr aufhören.
Er kocht sich eine Tasse Tee und öffnet die Hintertür. Es ist ein klarer Tag mit leuchtend blauem Himmel, und die kalte Luft fühlt sich gut an an den nackten Beinen. Er nippt an seinem Tee und zuckt zusammen, als wäre er zu heiß. Aber das ist er nicht. Die Grimasse bedeutet, dass er sich zu einer Entscheidung durchgerungen hat.
Er wählt eine Nummer. Muss nur drei Klingeltöne lang warten.
»Stadtrat Cabourne? Hier spricht Detective Sergeant Aector McAvoy …«
Die Laute aus der Zelle klingen nach einer Mischung aus Englisch, Gälisch und Dämonisch. Gefauche und Gebrüll, Geschrei und Geheul, völlig unverständlich durch die Wut, mit der es aus Ronan Gills Mund schäumt.
»Wenn er jetzt schon glaubt, er hätte einen Grund, sich aufzuregen …«, meint Colin Ray grimmig zu sich selbst, als er zu Zelle vier geht.
Er holt tief Luft. Zuckt zusammen. Seine Rippen schmerzen. Sein Anzug ist schlammverkrustet. Er hat Kopfschmerzen, weil seine Zähne so heftig zusammengeknallt sind, und er schmeckt Blut. Und er fühlt sich ziemlich gut.
Aus der Zelle dringt ein weiterer Schwall von gröbsten Beleidigungen und Drohungen.
»Er kriegt euch. Er kriegt euch alle. Und vor
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