Dein ist mein ganzes Herz
Walzern. Lady Merion hatte ihre Enkelinnen darauf hingewiesen, daß sie diesen Tanz auslassen mußten, solange ihnen das nicht eine der Patronessen ausdrücklich erlaubte und einen passenden Partner vorstellte.
In den Räumen wimmelte es von Müttern mit heiratsfähigen Töchtern sowie Gentlemen, die die neuen Debütantinnen in Augenschein nehmen wollten. Dorothea freute sich, daß ihr erster Partner Ferdie Acheson Smythe war - sie nannten sich inzwischen beim Vornamen. Ihm folgte eine Reihe von wohlerzogenen jungen Männern.
Lady Merion saß auf einem vergoldeten Stuhl am Rande der Tanzfläche, plauderte mit Lady Maria Sefton und beobachtete gleichzeitig ihre ältere Enkelin, die viel Aufmerksamkeit erregte.
Als die Musik endete, befand sich Dorothea mit ihrem Partner am anderen Ende des Ballsaales. Der nächste Tanz würde einer der verbotenen Walzer sein. Sie war im Begriff, zu ihrer Großmutter zurückzukehren, als eine wohlbekannte Stimme sie aufhielt. "Miss Darent!"
Dorothea versank in einem Knicks, der seinem Rang gebührte, wie man sie gelehrt hatte. Lord Hazelmere nahm ihre Hand und zog sie an die Lippen. Ihre Blicke trafen sich, und die Zeit schien stillzustehen. Dann wurde er sich der Gegenwart ihres Begleiters bewußt und nickte ihm verabschiedend zu. "Ich werde Miss Darent zu Lady Merion bringen", erklärte er. "Da ist jemand, dem ich Sie gern vorstellen möchte", fuhr er an Dorothea gerichtet, fort, nahm ihren Arm und steuerte sie durch die Menge.
Er war wie immer mit dezenter Eleganz gekleidet - in einer dunkelblauen Jacke und schwarzen Kniehosen, die zur Zeit bei formellen Anlässen in Mode waren. In den Falten seines perfekt geschlungenen Halstuches blitzte ein großer Brillant. Im Abendanzug wirkte er so attraktiv, daß Dorothea begriff, warum sein bloßer Anblick so viele vorsichtige Mütter nervös machte.
Während sie an seiner Seite ging, bemühte sie sich, die leichte Benommenheit zu ignorieren, die nichts mit den vielen Menschen und dem Tanz, wohl aber mit dem Ausdruck in seinen nußbraunen Augen zu tun hatte. Vor einer dunkelhaarigen Matrone blieben sie stehen. .,Mrs. Drummond-Burrell, darf ich mir erlauben, Ihnen Miss Darent vorzustellen?" bat er.
Dorothea, die sich völlig unerwartet der kritischen Patronesse von Almack's gegenübersah, knickste hastig.
Mrs. Drummond-Burrell, der ihre Überraschung nicht entging, lächelte. "Lord Hazelmere hat Sie anscheinend nicht darauf vorbereitet, daß ich Sie kennenlernen wollte, Miss Darent. Es wäre doch schade, wenn eine so bezaubernde junge Dame heute abend auch nur einen Walzer versäumen würde. Hiermit erteile ich Ihnen die Erlaubnis, bei Almack's Walzer zu tanzen und präsentiere Ihnen den Marquess of Hazelmere als Partner."
Dorothea war geistesgegenwärtig genug, sich anmutig zu bedanken. Da gerade die ersten Klänge des Walzers den Raum erfüllten, ließ sie sich von Lord Hazelmere auf die Tanzfläche führen.
Dies war der erste Walzer der Saison, und viele Debütantinnen hatten dazu noch keine Erlaubnis erhalten. Auf dem Parkett war es noch ziemlich leer, so daß die Anwesenden eine gute Sicht auf die tanzenden Paare hatten. Die schöne Miss Darent in den Armen des Marquess of Hazelmere erregte einiges Aufsehen.
Dorothea war sich der auf ihr ruhenden Blicke nur allzu bewußt. Lord Hazelmere äußerte ganz gegen seine Gewohnheit kein Wort. Miss Darent hatte ihm in ihrem altmodischen Kleid mit den offenen Haaren gut gefallen. In einem von Madame Celestines eleganten Modellen wirkte sie zauberhaft.
Nach einiger Zeit fragte er: "Stört es Sie nicht, derart im Mittelpunkt des Interesses zu stehen, Miss Darent?"
"Keineswegs, Mylord. Sollte es das?" erwiderte sie.
Er lächelte. "Sie sind eine ziemlich ungewöhnliche junge Frau."
Diese Wendung des Gespräches mißfiel ihr. Sie versuchte das Thema zu wechseln. Zum Glück entdeckte sie Cecily mit einem fast ebenso attraktiven Mann wie ihr Partner auf der Tanzfläche. "Wer ist der Gentleman, der mit meiner Schwester tanzt?"
"Lord Anthony Fanshawe", antwortete er, ohne den Blick von ihr zu, wenden.
Eine vage Erinnerung stieg in ihr auf. Diesen Mann hatte sie im Hof des Gasthauses flüchtig gesehen. "Kennen Sie ihn gut?"
"Wir sind praktisch zusammen aufgewachsen."
Wieder verriet sie ihr Gesichtsausdruck. Und daß er ihre Gedanken gelesen hatte, bestätigte er prompt durch seine nächste Bemerkung. "O nein, Miss Darent. So sehr gleichen wir einander nicht." Da ihm nicht entging, daß
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