Dein ist mein ganzes Herz
gewesen wäre. Nachdem sich herausgestellt hatte, daß Miss Darent eine höchst attraktive junge Dame war, hatte er sich dieser Aufgabe voller Begeisterung gewidmet. Daraus hatte sich zur beiderseitigen Überraschung eine echte Freundschaft entwickelt.
An einem musikalischen Abend bei Lady Bressington trat Mr. Edward Buchanan zum erstenmal in Erscheinung. Er war ein stämmiger Landedelmann, Mitte der Dreißig, mit gerötetem Gesicht und hervorquellenden braunen Augen. Aus Gründen, die sich Dorothea nicht erklären konnte, begab er sich auf direktem Weg an ihre Seite und verscheuchte ihren Partner, indem er behauptete, Miss Darent habe sich für einen Abend genügend leeres Geschwätz anhören müssen.
"Meine liebe Miss Darent", begann er, "Sie verzeihen mir hoffentlich,daß ich Sie anspreche, obwohl wir einander nicht offiziell vorgestellt worden sind. Ich bin Edward Buchanan. Mein Vater war ein Freund von Sir Hugo Giere, den ich auf meiner Reise nach London besuchte. Er erwähnte Ihren Namen und bat mich, Ihnen seine Grüße zu übermitteln."
Dorothea schwieg. Sir Hugo war ein entfernter Nachbar, und sie konnte sich kaum vorstellen, daß er sie grüßen lassen würde. Da sich jedoch Julia Bressington, eine gute Freundin von Cecily gerade zum Singen anschickte, äußerte sie nichts. Sie senkte den Kopf und hörte aufmerksam zu.
Während des Vortrags hielt Mr. Buchanan klugerweise den Mund. Doch kaum war der Beifall verstummt, riß er das Gespräch erneut an sich. Dabei redete er nur über Ackerbau und Viehzucht wovon die meisten von Dorotheas Verehrern keine Ahnung hatten. Nachdem auch der letzte ihrer Bewunderer sich zurückgezogen hatte, hörte er abrupt damit auf. "Ich dachte mir, daß ich die Herren auf diese Art loswerden würde", erklärte er befriedigt. "Sir Hugo hat Sie genau beschrieben, ohne Ihrer Schönheit volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, Miss Darent. Sie überstrahlen alle andere Damen. Leider bevorzugen die jungen Dinger heutzutage eine Mode, die ein Mann meines Alters viel zu offenherzig findet." Sein Blick ruhte auf Dorotheas gerundetem Busenansatz, den der tiefe Ausschnitt ihres Kleides enthüllte. .,Ich verstehe natürlich, daß Sie sich Ihrer Großmutter, in deren Obhut Sie sich befinden, eine sehr modische Dame, wie ich hörte - anpassen müssen. Bestimmt würden Sie sich in ländlichen Kreisen, wo Sie zu Hause sind, viel besser fühlen."
Da Dorothea vor Ärger kein Wort herausbrachte, mußte sie sich Mr. Buchanans Meinung über städtische Sitten und Gebräuche anhören, die darin gipfelte, daß er die Befürchtungen seiner Mutter wiederholte, ihr einziger Sohn würde von der Londoner Gesellschaft an Leib und Seele verdorben zu ihr zurückkehren. Mr. Buchanan versicherte glaubhaft, daß dies natürlich nicht der Fall wäre. Dorothea unterdrückte nur mühsam die Bemerkung, die ihr auf der Zunge lag, daß sie es als lobenswertes Ziel empfände, wenn eben diese Gesellschaft ihn gute Manieren lehrte.
Statt dessen äußerte sie kühl: "Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, Mr. Buchanan. Ich möchte mit ein paar Freunden sprechen." Sie stand auf, nickte knapp und entfernte sich. Ihr war klar, daß er den Wink nicht verstanden hatte, und daß sein Ego keineswegs angekratzt war.
Lady Merion hatte mit den Vorbereitungen für das eigentliche Debüt ihrer Enkelinnen bereits begonnen. Zu diesem Anlaß sollte der Ballsaal in Merion House zum erstenmal seit vielen Jahren wieder geöffnet werden. Die goldgeprägten Einladungskarten waren am Nachmittag bereits geliefert worden. Am nächsten Tag würden sie anfangen, sie zu verschicken. Der Ball sollte in vier Wochen - Anfang April - stattfinden. Bis dahin würden alle wichtigen Persönlichkeiten wieder in der Stadt sein, so daß mit einem vollen Haus zu rechnen war.
Lady Merion schaute ihren Enkelinnen entgegen, die festlich gekleidet die Treppe herunterkamen, ohne zu ahnen, welch bezauberndes Bild sie abgaben. Dank dieser liebreizenden jungen Geschöpfe würde ihr Ball zur Sensation der Saison werden, dessen war sie sicher.
Dorothea, eine Vision in meergrüner Seide mit Silberstickerei, küßte ihre Großmutter auf die Wange. Cecily umarmte sie. Lady Merion lachte und rief nach den Mänteln.
Als sie den nüchternen und unauffälligen Ballsaal von Almack's betraten, war offensichtlich, daß die Darent-Schwestern bereits neugierig erwartet wurden. Innerhalb weniger Minuten waren ihr Tanzkarten gefüllt
- abgesehen von den beiden
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