Dein ist mein ganzes Herz
Gastgeberin begrüßte voller Freude die Lords Hazelmere und Fanshawe wie auch eine erstaunliche Anzahl von
deren Freunden, die noch dazu ungewöhnlich früh eintrafen.
Im Ballsaal wartete Lord Hazelmere am Fuße der Treppe auf Dorothea. Als er ihre Hand an die Lippen zog und einen Kuß darauf hauchte, gelang es ihm, die höfliche Geste wie eine Liebkosung wirken zu lassen. Dann griff er nach der Tanzkarte, die mit einem winzigen, silbernen Stift versehen an ihrem Handgelenk hing.
"Miss Darent, es scheint, daß Sie merkwürdigerweise noch für alle Tänze frei sind", sagte er. "Ich werde mich leider mit einem Walzer begnügen müssen- dem ersten, denke ich." Er schrieb seinen Namen an die betreffende Stelle. So leise, daß nur sie ihn hören konnte, setzte er hinzu: "Und zur Belohnung, weil ich so früh gekommen bin, müssen Sie mir erlauben, Sie zum Supper zu führen. Das ist durchaus schicklich", beantwortete er ihre unausgesprochene Frage, bevor er den anderen Herren Platz machte, die sich einen Tanz mit der schönen Miss Darent sichern wollten.
Wie vorausgesehen entdeckte er Markham, Peterborough und Bassington unter den Gästen und in der Gruppe um Cecily die Lords Harcourt und Alvanley. Außerdem natürlich seinen Freund Fanshawe, der eine ähnliche Taktik wie er angewandt hatte. Das war nicht überraschend, denn sie hatten beim Dinner darüber gesprochen. Sehr zufrieden mit ihrem Erfolg machten sich die beiden Herren auf, um ihre Partnerinnen für den ersten Tanz zu suchen.
Dorothea blieb keine Zeit, über den Marquess nachzudenken. Sie war für jeden Tanz vergeben und dazwischen ständig von einer Anzahl ihrer Verehrer umgeben. In einem bronzefarbenen Seidenkleid, dessen hohe Tailleihre schlanke Figur noch betonte, sah sie geradezu hinreißend aus. Manche verärgerte Mutter fragte sich, weshalb Madame Celestine für ihre Tochter niemals ein solches Modell vorschlug.
Nach einiger Zeit fiel Dorothea ein verwirrender Wechsel ihrer Partner auf. Bei Almack's waren es außer dem Marquess und Lord Markham nette, junge Männer gewesen, die im Umgang mit einer schönen und selbstbewußten Dame eine gewisse Scheu an den Tag gelegt hatten. Am heutigen Abend war die Mehrzahl ihrer Verehrer ungefähr in Lord Hazelmeres Alter, und das machte alles schwieriger. Manche, wie der freundliche Alvanley, bedeuteten kein Problem, andere hingegen, wie die wilden Lords Peterborough und Bassington, schon eher. Als Lord Hazelmere sie zum ersten Walzer holte, glitt sie mit einem Gefühl in seine Arme, das der Erleichterung nahe kam.
In richtiger Einschätzung der Situation konnte er sich die Bemerkung nicht verkneifen: "Schwere Turbulenzen heute abend, nicht wahr, Miss Darent?"
Ihre Blicke trafen sich für ein paar Sekunden. Dann antwortete sie mit einem Gleichmut, der dem seinen in nichts nachstand: "Aber nein, MyIord. Ich finde das alles sehr unterhaltend."
"Ein bißeben zu dick aufgetragen", murmelte er.
"Aber Mylord, was ist das für eine Ausdrucksweise", schalt sie. "Sehr unschicklich, wenn Sie mich fragen."
Er lachte. "Sosehr ich mich auch bemühe, .ich kann mich an kein Gespräch mit Ihnen erinnern, das nicht ein wenig unschicklich gewesen wäre."
"Der Grund ist doch wohl offenkundig."
Lord Hazelmere bemühte sich um einen ernsthafteren Ton. "Meine liebe Miss Darent, es gehört nicht zu meinen Gepflogenheiten, mit wohlerzogenen jungen Damen unschickliche Gespräche zu führen." Der Walzer
klang aus, und er brachte sie mit einer Drehung zum Halt. "Nur mit Ihnen", setzte er hinzu.
Sie funkelte ihn gespielt indigniert an, schaffte es aber nicht, eine unbewegte Miene zu zeigen. Lachend ließ sie zu, daß er ihre Hand durch seinen Arm zog und sie zu Lady Merion führte. "Sie benehmen sich wirklich sehr unschicklich, Mylord", flüsterte sie.
Er korrigierte sie prompt. "Wir benehmen uns beide sehr unschicklich, Miss Darent."
Als er sie später zum Supper holte, mußte er sie Lord Petersboroughs Klauen fast entreißen. Diese nicht ganz einfache Aufgabe gelang ihm ohne große Umstände. Beim Supper saßen sie an einem Tisch mit Cecily und Lord Fanshawe sowie Julia Bressington, die Lord Harcourt im Schlepptau hatte. Die Unterhaltung verlief entsprechend vergnüglich.
Lord Hazelmere, dem klar war, daß Dorothea mit ihrer begrenzten Erfahrung im ton einiges nicht verstehen würde, verbrachte ein paar angenehme Minuten damit, ihre Kenntnisse zu erweitern - sein Kopf nahe dem ihren, um die anderen am Tisch nicht zu
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