Dein Kuss in meiner Nacht
alles klang so fantastisch, so unwirklich. Parallelwelten, Tribunal und … wie hießen die Bösen noch mal? Ich hatte es vergessen.
Neben mir schnarchte Cherryl leise vor sich hin. Was dachte sie wohl über das alles? Zumindest musste sie sich nicht noch mit Traumbegegnungen auseinandersetzen. Allerdings hatte sie niemanden, der ihr erklärte, wo sie sich befand und warum. Sollte ich mein Wissen mit ihr teilen? Und wie viel von dem, was ich wusste, durfte ich ihr erzählen? Ich war mir da nicht sicher. Sie war mir nicht wirklich eine Hilfe in dieser Situation, eher Ballast. Ich war zwar schüchtern und konnte nicht so gut Kontakte knüpfen, wie sie, doch dafür war ich an schwierige Situationen und schlechte Lebensbedingungen gewöhnt. Das half mir hier besser weiter als ihr ihre Beliebtheit oder ihr Wissen um Make-up und Klamottentrends.
Die Morgendämmerung hatte eingesetzt und ich entschied, dass es besser war, Cherryl zu wecken und aufzubrechen. Für einen winzigen Moment ging mir der Gedanke durch den Kopf, sie einfach schlafen zu lassen und mich heimlich davonzustehlen, doch mein Gewissen ließ dies nicht zu. Also kniete ich mich neben sie und rüttelte sie ein wenig unsanft an der Schulter.
»Wach auf. Wir müssen weiter.«
Sie schreckte hoch und starrte mich an, als wäre ich ein Alien. Dann schaute sie sich hektisch um und stieß einen erstickten Schrei aus.
»Was ist?«, fragte ich genervt.
»Das war kein Traum? Wir sind wirklich hier?«, quiekte sie schrill.
»Ja, leider«, erwiderte ich mürrisch. »Willkommen in der Realität! Können wir jetzt? Wir müssen sehen, ob wir was zu essen finden. Wir gehen den Bach entlang.«
»Wo willst du hier was zu essen finden? Hier gibt es nicht einmal einen Supermarkt, geschweige denn ein Restaurant!«
Ich verdrehte die Augen.
›Ist diese Kuh wirklich so blöd? Kann jemand so naiv sein?‹
»Du bist wirklich total hilflos, oder? Nein , hier gibt es keinen Supermarkt und auch kein Restaurant . Aber es gibt vielleicht Fische im Bach. Wir können nach Beeren Ausschau halten, und wenn wir Glück haben, sogar ein kleines Tier fangen.«
»Und das essen wir dann wie ? Hm? Hast du vielleicht Geschirr oder Gewürze dabei? Und wie willst du Feuer machen, oder sollen wir das roh essen?«
»Und du wolltest allein abhauen!«, schnaubte ich ungläubig. »Wie dachtest du, hier zu überleben?«
»Keine Ahnung!«, fuhr Cherryl mich an. »Es war eine Kurzschlusshandlung, okay? Ich meine, die haben mich echt mies behandelt. So … so hat mich noch nie … jemand behandelt.«
Sie schluchzte und ich überwand meine Abneigung, um sie in den Arm zu nehmen und zu trösten. Ich verwünschte die Tatsache, dass ich ihr auf meiner Flucht begegnet war. Wenn ich nur allein geflohen wäre. Doch dann würde sie vielleicht nicht überleben und ich fühlte mich mies für meine Gedanken. Ich musste mich wohl oder übel um sie kümmern. Ob mir das passte oder nicht, ich hatte eine gewisse Verantwortung für sie.
»Komm, gehen wir«, sagte ich und erhob mich.
Cherryl wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und fuhr sich über ihre Haare.
»Oh Gott! Ich muss furchtbar aussehen«, jammerte sie und mein schlechtes Gewissen löste sich in Luft auf. Stattdessen hätte ich ihr am liebsten den Rücken zugedreht und wäre einfach ohne sie auf und davon.
»Wir sind hier nicht bei einem Schönheitswettbewerb«, knurrte ich schlecht gelaunt.
»Für dich ist es vielleicht nicht schlimm, wo du doch gewohnt bist, nach nichts auszusehen, aber für mich ist das eine wirklich untragbare Situation.«
»Ich sag dir jetzt mal was, du eingebildete Schnepfe!«, fuhr ich sie ärgerlich an. »Ich bin deine einzige Chance, das hier lebend zu überstehen, denn allein gehst du hier auf jeden Fall vor die Hunde. Also überleg dir gut, ob du mich weiterhin beleidigen willst und dann zusehen musst, wie du selbst klarkommst, oder ob du mit mir gehen und überleben willst. In dem Fall solltest du dir deine dämlichen Bemerkungen sparen, denn ich werde sie mir nicht noch länger anhören.«
»Schön! Ich brauch dich nicht. Ich komme schon zurecht«, giftete sie zurück.
»Prima. Dann viel Spaß!«, sagte ich wütend und rauschte davon. Diese Ziege konnte mich mal gernhaben. Sollte sie doch hier verrecken. Was kümmerte es mich?
Ich hörte, wie Cherryl mir fluchend folgte, doch sie hielt Abstand und kam nicht näher. Wenn ich anhielt, dann tat sie es auch. In sicherer Entfernung. Nach einer halben Stunde fand
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