DEIN LETZTER TANZ
nicht gesagt, dass diese Leute dahinterstecken. Wir schulden ihnen zwar noch etwas, aber bisher haben wir alle Raten zurückgezahlt. Warum also sollten sie so etwas tun? Außerdem nehmen die zwar hohe Zinsen, aber deswegen sind sie noch lange keine Kriminellen!“
„Aber wer sollte denn sonst der Schuldige sein? Ich verstehe das nicht! Wer könnte ein Interesse daran haben, uns zu schaden?“
Als ihr Vater nicht antwortete, wandte Donna sich an Max. „Sag mal, wäre es okay für dich, wenn ich vielleicht allein …“
Er nickte. „Klar, kein Thema. Ich warte einfach in der Cafeteria auf dich.“
„Das ist lieb von dir.“ Dankbar sah sie ihn an, dann betrat sie das Krankenzimmer. „Hey, Mom, wie geht’s dir?“
Mrs. Carrigan zwang sich zu einem Lächeln. „Schon viel besser. Der Arzt meinte, ich kann in ein paar Tagen wieder entlassen werden. Dann nehmen sie mir auch diese lästigen Verbände ab. Darunter juckt es ganz schrecklich, das kann ich dir sagen. Aber Hauptsache, die Salbe wirkt. Zum Glück war die Säure wohl nicht besonders hoch konzentriert. Deshalb ist eine OP nicht notwendig, und ich werde wieder aussehen wie früher, sobald alles verheilt ist.“
Donna atmete tief durch. „Sagt mal, ich habe eben mit angehört, wie ihr über irgendwelche Kredithaie gesprochen habt.“
Die Miene ihres Vaters verdüsterte sich. „Findest du es in Ordnung, einfach so Gespräche zu belauschen?“
„Was heißt hier lauschen? Ihr habt so laut geredet, dass es kaum zu überhören war!“, verteidigte Donna sich. „Außerdem finde ich, ihr könntet langsam echt mal damit aufhören, mich wie ein kleines Kind zu behandeln. Was geht hier eigentlich ab? Was habt ihr mit Kredithaien zu tun?“
Ihr Vater seufzte. „Ach, du darfst das nicht so furchtbar ernst nehmen“, erwiderte er. „Wir haben Geld gebraucht, und da die Bank uns keines geben wollte, mussten wir improvisieren. Aber so schlimm, wie du es dir jetzt vielleicht vorstellst, ist es überhaupt nicht. Wir zahlen hohe Zinsen, das stimmt, aber davon abgesehen ist es ein Kredit wie jeder andere.“
„Du glaubst also nicht, dass diese Leute etwas mit den Vorkommnissen bei uns im Zirkus zu tun haben?“
Er schüttelte den Kopf. „Das kann ich mir nicht vorstellen. Was hätten sie auch davon? Sie würden sich ja ins eigene Fleisch schneiden, wenn sie den Ruf des Zirkus ruinieren. Immerhin ist er unsere einzige Einnahmequelle.“
„Auch wieder wahr.“ Donna schüttelte den Kopf, aber als sie zehn Minuten später das Krankenzimmer wieder verließ, und zwar allein, weil ihr Dad noch bleiben wollte, war sie nicht wirklich sicher, ob er recht hatte. Man hörte doch immer so viel von schlimmen Machenschaften mancher Kreditvermittler, die sich oft nicht nur am Rande der Legalität bewegten, sondern absolut kriminell und gewalttätig waren. Da konnte es doch gut möglich sein, dass diese Anschläge eine Drohung sein sollten.
Kopfschüttelnd lief sie den Gang hinunter. Es war ja nichts Neues für sie, dass ihre Eltern mit ihr so gut wie nie über geschäftliche Angelegenheit sprachen, und sie wusste auch, dass es nicht gerade gut um den Zirkus stand – aber die Sache mit diesem Kredithai überraschte sie dann doch. Sah es wirklich so düster aus? Ihre Eltern mussten ja geradezu verzweifelt sein, sonst hätten sie sich doch nie und nimmer auf so etwas eingelassen.
Max wartete in der Cafeteria auf sie. „Also, den Kaffee kann ich nicht gerade empfehlen“, begrüßte er sie. „Was hältst du von einer Cola?“
„Nee, lass mal.“ Donna winkte ab. „Ehrlich gesagt würde ich jetzt gern so schnell wie möglich nach Hause.“
„Wie du willst.“ Er hob die Schultern. „Dann komm, gehen wir.“
Am Abend konnte Donna sich nur schwer auf ihren Auftritt konzentrieren. Immer wieder wanderten ihre Gedanken zu den Vorfällen der vergangenen Tage zurück und zu der Frage, wer es auf den Zirkus abgesehen haben konnte.
Denn dass es um den Familienbetrieb ging, daran bestand für sie kein Zweifel mehr. Irgendjemand wollte dem Zirkus oder auch nur ihren Eltern schaden. Die Frage war bloß: Warum?
Aber es gab noch etwas anderes, das es ihr schwer machte, sich auf ihren Auftritt zu konzentrieren: Ständig ertappte sie sich dabei, wie sie die Ränge nach dem vermeintlichen Täter absuchte, nach einer Person, die sich in irgendeiner Weise auffällig verhielt. Allein die Vorstellung, dass der Täter wieder unter den Zuschauern sein könnte, zerrte an ihren
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