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Dichter in Beirut gesandt. Eine Philosophin in Berlin hat eine Erklärung verfaÃt, deren Verbreitung er organisieren soll; sie stellt sich New York Times vor und Prominenz nicht unter Barenboim, Adonis und Edward Said, der doch mal auferstehen könnte: »We, the undersigned, regard the current violent polarisation between the so-called West and the Islamic world as a perversion of our respective traditions.« Wenigstens hat sich der Empfang im Bergischen Land seit dem letzten Aufenthalt soweit verbessert, daà er meistens telefonieren kann. Bevor er die Vereinten Nationen anruft, bezieht er allerdings die Betten.
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György Sándor Ligeti (28. Mai 1923 Dics Å szentmárton, heute Târn Ä veni, Siebenbürgen; 12. Juni 2006 Wien) ( Bildnachweis )
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Die CD , die ich gerade höre, hat mir György Ligeti geschenkt. Sie hat so einen bombastischen Titel: »The Ligeti Project I «. Ich nehme an, daà es sich um den ersten Teil seiner gesammelten Werke handelt oder jedenfalls einer Werkschau. Ligeti war zufrieden mit der CD , vielleicht sogar mit dem Titel. Ich schlieÃe nicht einmal aus, daà ihm das Monumentale daran behagte. Da ist jemand auf Mission mit seinem einsitzigen Raumschiff und entdeckt lauter Sterne, die das menschliche Universum verändern. Mir selbst kommt »The Ligeti Project« kurios vor, weil ich ihn im Wissenschaftskolleg als kleinen, lustigen Herrn mit weiÃen, etwas wilden Haaren erlebte, der über das übliche Maà hinaus liebenswert war und nur auf entschiedene Nachfrage über sich selbst sprach, noch dazu mit einem südosteuropäischen Singsang in der Stimme, durch den jeder Satzteil wehmütig ausklang, und wohlgemerkt ohne je seine Monumentalität anzudeuten, eher Anekdotisches von seinen Aufführungen und politischen Erfahrungen aus der Zeit des Kommunismus, den er keine zehn Jahre ertrug. Er hielt etwas auf sich und lieà in der zeitgenössischen Musik kaum jemanden oder keinen gelten als sich selbst, weswegen er lieber afrikanische Muster der Rhythmik erklärte, doch da ihm seine eigene Bedeutung selbstverständlich war, muÃte er nicht mehr mit ihr hausieren gehen wie wir Sterblichen. Aus einem Extrem an Eitelkeit war er extrem uneitel. Seine Neugier war die eines Wissenden.
Ligeti interessierte sich für alles Erdenkliche, konnte sich freilich auch gleichgültig zeigen, wo jeder bei ihm Interesse vermutet hätte. Er suchte sich die Fellows aus, die ihm sympathisch oder anregend schienen, und fragte sie aus. Auf Rang und Namen gab er nichts. Die stillen, arbeitsamen Wissenschaftler achtete er, aber es hätte der Präsident der Vereinigten Staaten, Universitäten, Akademien oder Plattenkonzerne in die Kantine platzen können, und Ligeti hätte in seinem Wollpullover nicht einmal genickt. Am meisten fesselten ihn die deutschen Biologen, die über die Echolokation der Fledermäuse forschten; wie oft habe ich ihn noch mit staunenden Augen bei ihnen sitzen sehen, wenn ich die Kantine schon wieder verlieà (und dabei war ich meist der letzte, der zu Tisch kam). Ihre Erkenntnisse und Beobachtungen zitierte er immer wieder und nahm sie sogar in sein Referat auf, das er, der nichts nebenher oder halbherzig erledigte, mitsamt Musikeinspielungen so gewissenhaft vorbereitet hatte wie kein anderer Fellow des Jahrgangs. Die Biologen, warmherzige, zugängliche Leute, die ihre Forschungsergebnisse ebenso verständlich wie eindrücklich referierten, adoptierten Ligeti auch in ihre Gruppe, kümmerten sich um ihn, wenn Arztbesuche anstanden, und sahen zu, daà er abends nicht ungewollt allein war. Aber auch mit uns Fellows vom Dritte-Welt-Tisch verstand er sich, vor allem mit dem mexikanischen Anthropologen, mit dem er oft spazierenging. Was haben Sie mir heute Wichtiges aus Lateinamerika zu berichten? hörte ich den Beginn oft noch mit.
Von mir wollte er alles über die Entwicklungen in Iran wissen, daneben manches über den Sufismus. Diskutiert haben wir auÃerdem über den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, ohne daà mir seine Meinung im Ohr blieb. Das ist nicht nur meiner VergeÃlichkeit geschuldet: Ligeti hielt sich grundsätzlich mit Meinungen zurück, die nicht die Musik betrafen oder eines seiner anderen Fachgebiete. Einen meiner groÃen Abende in Berlin bescherte mir Ligeti, als er im Jahr nach seinem Fellowship zu Besuch in Berlin war und abends
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