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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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Akademie und mit Lebenskunst für Fortgeschrittene. Wehe, er parkt auf einem der extrabreiten Felder, die mit Staff markiert sind, dann klopft eine halbe Stunde später der Hausmeister gleichzeitig an alle drei Flügel der Tür. Der Enkel hat sich schon vor seiner Ankunft vorgenommen, möglichst wenig zu lästern, weil es so billig und, einmal gesetzt, zu so vielen Gesprächen korrumpiert, wie Rolf Dieter Brinkmann bereits 1973 beklagte. So muß sich Zehnnullacht nicht mehr zum »lose[n] gruppenhaften Zusammenleben« äußern, den Begegnungen vor den Ateliers, »wenn die Leute reden um zu reden«, den Freitagsbesprechungen, bei denen »jeder ja zu jeder Einzelheit frech was sagen und die Sache versumpfen« darf, oder der »Reduzierung des Bewußtseins auf diesen Gast-Zustand, der allseits dankbar hingenommen wird«. Außerdem sind die übrigen Parkplätze breit genug.
    Und sonst berichtet Großvater von seiner Pilgerfahrt nicht viel mehr als die merkwürdigen Routen jener Zeit, hin mit dem Flugzeug nach Beirut, von dort mit dem Flugzeug nach Dschiddah (den Platz besorgte ihm ein Bekannter, der Rest der Gruppe fuhr mit dem Schiff) und weiter nach Mekka, zurück über Damaskus, Bagdad, mit dem Zug über Basra und weiter auf der gerade erbauten Strecke über Ahwaz nach Teheran, von dort mit dem Bus zurück nach Isfahan; welche Schwierigkeiten es an den zahlreichen Etappen bei der Ticketbeschaffung gab, wo er übernachtet, wen er für ein paar Tage besucht und welche Isfahanis er in Mekka getroffen hat, als wolle er die Richtigkeit der berühmten Verse Rumis demonstrieren, die Rückert so schön übersetzt hat: »Die hin zur Kaaba pilgern, wenn nun an ihrem Ziel sie stehn, / In einem Tal ohne Saat ein altes Haus von Stein sie sehn. / Sie gingen hin, um Gott zu schaun, und nun ums Haus im Kreis sich drehn. / Wenn sie solange sich gedreht, so hören sie die Stimme wehn: / Was, Toren, ruft ihr an den Stein? Wer wird vom Steine Brot erflehn? / Wenn ihr den Tempel Gottes sucht, in Eurem Herzen tragt ihr den. / Wohl dem, der bei sich selbst kehrt ein, statt pilgernd durch Wüsten durchzugehn.« Nichts von den heiligen Stätten, nichts vom religiösen Erleben, nichts von Erleuchtung – aber auch nichts vom Stadtbild Mekkas im Jahr 1949, von dem heute nur noch ein Themenpark übrig ist, nichts vom Grab Fatimas, das der zweite Kalif Umar verhindert hat oder nicht, überhaupt nichts vom Islam, nichts von der Brüderlichkeit, von der andere Pilger so anschaulich erzählen, statt dessen Fahrpläne, die Qualität der Hotelbetten, ruhestörender Lärm in der Nacht, die Schwierigkeiten beim Umtausch von Zugtickets und Zeile um Zeile die Namen von Mitreisenden, denen Großvater entweder ein langes Leben oder die ewige Seligkeit wünscht. Das also ist Großvaters legendäre Reise nach Mekka, auf welcher der Enkel endgültig einsieht, sich verirrt zu haben: Die Notate, die der Enkel von der Selberlebensbeschreibung anfertigt, fügen sich nicht zu etwas Mitteilenswertem, wie er gegen alle Vernunft hoffte, das er ähnlich wie die Absätze, die in der Zeitung erscheinen, herauskopieren und mit wenigen Eingriffen als eigenständiges Buch veröffentlichen könnte, mit Umschlag und allem. Und selbst wenn es größerer Umarbeitungen und Ergänzungen bedurft hätte, die Grundstruktur, so malte er sich aus, könne er bewahren, also das Erzählen als fortlaufende Hermeneutik in Echtzeit und eigener Sache, und wenn nicht die Grundstruktur, dann wenigstens an der Grundlage festhalten, dem Leben seines Großvaters. Spätestens mit dem Mekka-Kapitel ist eine weitere Hoffnung erloschen, daß das, was ihn Tag für Tag beschäftigt, wenigstens mittelbar, wenigstens in größeren Ausschnitten als die Absätze hier und dort, einen Gebrauchswert haben könnte. Großvater weist zum Schluß noch darauf hin, daß die Hadsch unter allen religiösen Pflichten am aufwendigsten sei und ihre Erfüllung vielleicht deshalb das höchste Ansehen genieße. Das gelte selbst heute, da man den Weg nicht mehr zu Fuß oder auf Kamelen zurücklege, sondern im Flugzeug. Selbst heute sei noch etwas von den Strapazen zu spüren, die die Pilgerfahrt zu seiner Zeit mit sich brachte, ist Großvater überzeugt, und auch die Kosten seien nicht unerheblich. Gut, mancher habe Geld im Überfluß –

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