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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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betritt, rät der Sekretär, sich erst einmal den Bart zu rasieren, Exzellenz hätten ein hitziges Gemüt und gerieten sehr leicht in Wut. Der stellvertretende Filialleiter, der schon aufgeregt genug ist, ruft mit zitternder Stimme, daß er nicht nach Teheran gekommen sei, um sich zu rasieren. Im Eifer ruft er noch alles mögliche andere, das ziemlich heldenhaft klingt, aber auf den Beinen halten kann er sich nur, wie er vierzig Jahre später anmerken wird, weil er in den Pausen zwischen zwei Invektiven wie in der Wiederholungsschleife astaghferollâh aufsagt, die Bitte um Vergebung der Sünden und den Beistand Gottes. Endlich öffnet der stellvertretende Filialleiter im Namen Gottes des Erbarmers, der Barmherzigen die Tür zum Präsidentenbüro: Den Kopf nach hinten über die Stuhllehne gelehnt, den Mund weit geöffnet, scheint der Präsident der Iranischen Nationalbank zu schlafen. Der stellvertretende Filialleiter traut sich nicht, ins Büro zu treten, flüstert nur Friede sei mit Ihnen und wartet in der offenen Tür. Und? Weiter? Nichts weiter. Der Rest der Episode ist so spannend beschrieben wie ein Kontoauszug: Noch am selben Tag wurde Großvaters Bericht schriftlich aufgenommen, eine Kommission eingesetzt, ein Ermittler nach Isfahan geschickt und schließlich Herr Mansuri beurlaubt. In Großvaters Jahren als stellvertretender Direktor der Iranischen Nationalbank in Isfahan hat es keinen bedeutenderen, aufregenderen Vorfall gegeben als die Aufdeckung dieses Skandals. Selbst die Lokalzeitungen berichteten. Über Wochen, über Monate muß das Drama auch zu Hause für hitzige Diskussionen gesorgt haben, von denen die Kinder nichts mitbekommen sollten, schlaflose Nächte, Existenzangst. Soviel Mühe er sich gab, die Untersuchungen im Detail zu schildern und alle relevanten Dokumente auszubreiten – es ist vorbei, niemand wird es ihm danken, niemand die Affäre für bemerkenswert halten, wenn sogar ich über sie hinweglese und hiermit Großvaters Berufsleben für immer und ewig abschließe. Nur eines noch, bevor ich ihm noch auf die Pilgerfahrt folge, aber vielleicht nicht mehr weiter, nämlich die »bittere und peinliche Wahrheit«, mit welcher er selbst sein Berufsleben resümiert: In den dreißig Jahren seines Dienstes bei iranischen Institutionen – erst bei der Zollbehörde, dann bei der Nationalbank – hätten die deutschen und belgischen Vorgesetzten ihre Arbeit ausnahmslos gewissenhafter, professioneller und effizienter ausgeführt als ihre iranischen Nachfolger. Er wolle damit Gott verhüte nicht seine lieben Mitbürger beleidigen, sondern nur der nächsten Generation den Wert einer guten Ausbildung, unbedingter Ehrlichkeit und nicht nachlassenden Fleißes verdeutlichen, damit das Land nicht auf ausländische Vorgesetzte angewiesen sei. Sowenig wie die allernächsten Adressaten hörte ihn das Land: Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds hat Iran seit Jahren den höchsten brain drain der Welt, verliert also jährlich die meisten Akademiker, im Jahr hundertfünfzigtausend Menschen mit Universitätsabschluß. Die Situation an den Schulen und Universitäten ist ein Desaster, eine Säuberungswelle folgt der nächsten. Zehntausende, Hunderttausende gutqualifizierte Lehrer und Professoren hat der Staat wegen ideologischer Unzuverlässigkeit entlassen. Oft reicht es, rasiert am Arbeitsplatz zu erscheinen.

 
    Â 
    Das Mekka-Kapitel, immerhin sechs Seiten lang, ist ebenfalls zum Vergessen, am brauchbarsten noch der Hinweis, daß die Pilgergruppe, der Großvater sich angeschlossen hatte, nachts ihr Hotel in Beirut verließ, weil es von Juden betrieben wurde. Weil ich mir das nicht recht erklären kann und dort außerdem keine Waschmaschine läuft, verbringe ich einen weiteren Tag in der Bibliothek der römischen Orientalistik. Bei allen Vorurteilen und Diskriminierungen waren Juden doch in allen Berufen, Ständen und sozialen Klassen der iranischen Gesellschaft präsent, zumal in Isfahan, wo heute noch siebzehn Synagogen stehen, wenn ich die Zahl richtig behalten habe. Daß auch einer der Direktoren der Nationalbank in Isfahan ein Jude war und viele der Kollegen, die Großvater nach alter Gewohnheit auflistet, armenische, also christliche Namen tragen, erschien mir deshalb nicht erwähnenswert. Es kann also Großvater oder überhaupt einen Iraner

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