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sondern die arabische mit allen Literaturen und das Himmlische mit der Erde. Hingegen am schwächsten fand ich das einzige Gedicht, das eindeutig die Liebe meint, »Lektion in Kamasutra«, fast durchsichtig die Metaphern und der Effekt, auf den es mit dem Refrain zwischen jeder Zeile zielt â und den es bei der Lesung erzielte: Die Aufnahme dokumentiert die Seufzer aus dem Publikum und den stürmischen Applaus. Zum SchluÃ, den man im Internet nicht hören kann, weil der Link sich nicht öffnet, trug er in Ramallah die beiden dezidiert politischen Gedichte vor, die er in den letzten Jahren dann doch geschrieben hatte, auch jenes vom »Belagerungszustand«, als die israelischen Panzer vor sein Fenster zurückgekehrt.
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Hier, bei den Säulen aus Rauch, an der Treppe zum Haus
Hat die Zeit keine Zeit,
Und wir tun, was die tun, die zu Gott aufsteigen,
Wir vergessen den Schmerz.
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»Aber diese Belagerung wird dauern, bis wir die Feinde unsere älteste Dichtung gelehrt haben«, heiÃt es vorher in dem Gedicht. Das war kein Dialogangebot, sondern die Kampfansage an jene, die vom Arabischen nur den Imperativ kannten: Sidjdjil! Meinen Einwurf, das Gespräch mit den Friedenswilligen auf der anderen Seite nicht aufzugeben (und an unseren Projekten teilzunehmen), verwarf er. Er hatte allen Respekt für die israelischen Aktivisten, mit einigen war er befreundet, unter seinen wenigen Vorbildern zählte er stets zwei hebräische Dichter auf, und doch lehnte er unter den gegebenen Umständen den Dialog ab â nicht weil er am guten Willen der Freunde zweifelte, sondern am politischen Sinn. An die genaue Begründung kann ich mich nicht mehr erinnern, ich weià nur noch, daà mir keine Erwiderung einfiel, ehrlich gesagt bis heute nicht, selbst wenn ich this Jewish-Muslim thing weiter betreibe.
Drei Jahre zuvor hätte Darwisch noch an einem arabisch-jüdischen Dichtertreffen am Wissenschaftskolleg teilgenommen, aber keine der jüdischen Fellows wollte mit Arabern sprechen. So wurde es vor allem ein innerarabisches Gespräch â aber was für eins! Zum ersten Mal nach mindestens zwei Jahrzehnten traf Darwisch öffentlich auf seinen Königskollegen Adonis. Es war schon meine Endzeit am Berliner Wissenschaftskolleg, in der die neue Leitung hintertrieb, was ich unter dem vorigen Rektor angefangen hatte, sogar dieses Treffen, das ihr eine ganze Mappe der ersehnten Artikel in den Feuilletons einbringen sollte. Ich hatte kein Geld zur Verfügung, nicht einmal für Kaffee und Plätzchen, also muÃte ich die Berliner Festspiele bitten, die Rechnung der armenischen Köchin zu übernehmen, die in der Teeküche (ins Restaurant durfte ich mit meinen Arabern nicht) drei iranische Gänge hervorzauberte. In der Teeküche war es so eng, improvisiert und herzlich wie auf einer nachmittäglichen Studentenfete. Den Triumph auch in eigenster Sache hatten Darwisch und Adonis mir beschert, die mich nach der Absage der jüdischen Fellows nicht im Regen stehenlassen wollten. Und so folgten mir diese groÃen, höchste Verehrung gewohnten und auch eitlen Dichterkönige bereitwillig ins Souterrain hinab und blieben bis zum Schluà in der Teeküche sitzen, obwohl ich mir nicht einmal sicher bin, ob ihnen das iranische Essen geschmeckt hat.
Stefan Weidner schreibt in seinem Nachruf, daà er Darwisch einmal am Wissenschaftskolleg â also wahrscheinlich doch bei ebenjenem Treffen â auf der Toilette begegnete, wo Majestät sich wie ein Schuljunge heimlich eine Zigarette angesteckt hatte. Darwisch hielt sich nicht an das Verbot, das die Ãrzte nach zwei schweren Herzoperationen ausgesprochen hatte, aber wollte nicht, daà seine Kollegen sich deswegen um ihn sorgten.
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   Ich möchte mehr Leben, damit wir uns treffen, möchtâ länger in der Fremde sein.
   Und hättâ ich ein leichtes Herz, auf jede Biene lieà ichâs los.
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   Ich möchtâ ein gröÃeres Herz, damit ich die Palme hochklettern kann.
   Und wärâ mein Leben bei mir, würdâ ich dich hinterm Fenster des Fernseins erwarten.
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   Ich möchte mehr Lieder, um tausend Türen zu tragen und eine,
   Und sie im windigen Land als Zelt aufschlagen, dessen Sätze zu bewohnen.
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   Ich möchte mehr Frauen, um den letzten Kuà zu
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