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überschäumenden. Manchmal merkte ich erst spät, daà sein Gedicht von Liebe handelt, manchmal meinte ich es wahrscheinlich nur oder merkte umgekehrt nicht, daà er die Liebe meint. Soweit vorhanden, nahm ich die Ãbersetzung von Stefan Weidner zur Hand, der als einziger in Deutschland einen würdigen Nachruf plaziert hat, wo Darwischs Tod nicht nur in allen arabischen Medien breaking news ist. Auch in Frankreich, England und den Vereinigten Staaten, ich bin mir sicher, wird mehr als nur eine Zeitung den Verlust übersehen. Mit ihm geht die arabische Moderne, dieses vielverheiÃende, aufregende und eben doch scheiternde Projekt einer originären Teilhabe an der heutigen Weltkultur, zu Ende. Was bleiben wird, sind Dubai und Gaza. Einen wie ihn, der mit avancierter Lyrik Stadien füllte, werden die Verhältnisse nicht mehr hervorbringen. Die ganzen letzten Jahre hatte mich am Nobelpreis nur interessiert, ob Mahmud Darwisch ihn endlich erhält, und jeden Herbst fürchtete ich, daà die Wahl auf Adonis fällt, den zweiten König der arabischen Gegenwartsdichtung, nicht weil ich Adonis den Preis nicht gönnte, sondern weil nicht mehr rechtzeitig ein weiterer Araber ausgezeichnet würde.
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Mahmud Darwisch (13. März 1941 Barwa bei Akko; 9. August 2008 Houston) ( Bildnachweis )
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Während ich mich vor- und rückwärts von Gedicht zu Gedicht durchklickte, bemerkte ich, daà es der Mitschnitt einer Lesung war, die ich im Frühjahr 2005 in der groÃen Mehrzweckhalle von Ramallah besucht hatte, drauÃen mehrere Videoleinwände für das Volk sowie Ordner und Absperrungen wie bei einem Popkonzert. Ich bemerkte es daran, daà Mahmud Darwisch vor dem zweiten Gedicht den palästinensischen Präsidenten begrüÃte, der damals verspätet war und nun dreitägige Staatstrauer ausgerufen hat. Wie kein anderer Dichter der Welt und mehr als jeder Präsident hat Darwisch einer ganzen Nation eine Stimme verliehen, mehr noch: die Nation in der Dichtung neu erschaffen, als sie von der Landkarte verschwunden war. Dabei krakeelte die Stimme keine Mitsingreime oder vaterländische Lieder, sondern sang Verse, die so reich an Nuancen, Rätseln, Anspielungen sind, so viele Barrieren vor die Ergriffenheit und die Einfühlung setzen und sich gerade in den letzten Jahren dem politischen Zugriff immer entschiedener entzogen, daà man dem Volk nur applaudieren möchte, das solche Lyrik hört.
Es gab 2005 nicht mehr viel, wozu man den Palästinensern sonst applaudieren konnte. Die palästinensische Gesellschaft zerfalle, sagte mir Darwisch, und ihr Staub würde gerade von den Islamisten aufgekehrt. Zu der äuÃeren Besatzung komme immer stärkerer Druck von innen, Zensur, Verbote, Angriffe. Als junger Mann habe er die Welt retten wollen. Dann habe er sich damit begnügt, Palästina zu befreien. SchlieÃlich habe er sich mit der Westbank zufriedengegeben. Heute sei er schon froh, halbwegs unbehelligt in Ramallah wohnen zu können. Und dann lächelte er mit dem gleichen spöttischen und zugleich schüchternen Lächeln wie auf dem Photo.
Niemals habe ich ein Land so bedrückt verlassen wie Palästina vor drei Jahren. Durch die westlichen Medien ging gerade einer der regelmäÃigen Hoffnungsschübe, Israelis und Palästinenser könnten wieder Verhandlungen aufnehmen. Vor Ort stellte ich rasch fest, daà die Nachrichten vom wieder einmal möglichen Frieden nichts weiter waren als die Propaganda des Krieges, der Zeit gewinnen wollte. Ãber die Erlebnisse und Beobachtungen, die mich entsetzten, schrieb ich in meinem Bericht. Nur angedeutet habe ich darin, daà es das Gespräch mit Mahmud Darwisch war, das meinen Pessimismus besiegelte.
Als Reisender bin ich sonst sehr langsam mit Schlüssen. »Reise in die Verwirrung« hatte die Süddeutsche Zeitung die Serie von Texten genannt, die ich nach meiner ersten Israelreise schrieb. Das war im Jahr 2000 und würde für die meisten meiner Reportagen passen. 2005 wäre ich vielleicht genauso verwirrt zurückgekehrt. Ich hätte meinen Bericht verfaÃt und erst nachträglich bemerkt, was davon das Statement für ein Radiointerview wäre. In meinen Reportagen selbst hoffte ich stets, die Offenheit des Auges zu bewahren, das anders als der Verstand keine Mühe hat, vieles gleichzeitig und Widersprüchliches nebeneinander zu sehen. Den
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