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Ãberzeugung, das eigene Volk retten zu können, verdankt sich nicht Berechnungen, sondern Gebeten. Holofernes ihren Körper anzubieten, um in seine Nähe zu kommen, und nach der Tat, so sie denn gelänge, von seinen Wärtern umgebracht zu werden oder schlimmeres, nimmt sie wie selbstverständlich in Kauf â besser, als das Korn, den Wein und das Ãl anzurühren, das dem Herrn geweiht. Nichts von ihrer Beseeltheit, ihrer physischen Verfassung, ihrer Aufregung läÃt ihr Caravaggio, nicht einmal Gebete, wie es die Bibel will, legt er auf ihre Lippen, als sie Holofernes enthauptet. Nicht einmal Kraft kostet es sie. Bei ihm ist Judith so ungerührt, als stünde sie in der Küche. Das Blut spritzt in Fontänen, das Fleisch quillt hervor, Holofernesâ Kopf, schon zur Hälfte durchtrennt, gibt nach, ein Gurgeln, ein Stöhnen aus seinem offenen Mund, die Augen werfen ihren letzten Blick, man mag als Museumsbesucher überhaupt nicht hinsehen, so naturalistisch ist der Horror gemalt â aber Judith runzelt nur leicht die Stirn, zieht die Lippen zur Andeutung eines Schmollmündchens gerade so weit nach vorn, daà unklar bleibt, ob das biÃchen Erschrecken auf ihrem Gesicht eine ehrliche Regung ist oder nur eine letzte, groÃe Verspottung: ach je, du Armer. Diese Judith opfert sich nicht, sie führt aus. Wo die Judith der Bibel Holofernes »zweimal mit all ihrer Kraft in den Nacken« schlägt, also von hinten und auÃer sich angreift, packt sie ihn bei Caravaggio in aller Ruhe am Zopf, zieht seinen Kopf nach hinten und durchtrennt seinen Hals, als sei er ein Stück vom Kuchen. Holofernesâ Gesicht hingegen â gut, das Sterben zeichnet wahrscheinlich noch die brutalsten Züge weich, aber man schaue auf sein Gesicht, drehe meinetwegen den Bildband um neunzig Grad, wenn man nicht vor dem Gemälde im Palazzo Barberini steht, und decke alles andere ab, achte nur auf sein Gesicht: Es ist nicht eben anziehend, das nicht, doch ist ihm auch nicht die Bestialität eines Befehlshabers anzusehen, der bis auf eine einzige Festung, die noch belagert wird, alle Länder des Westens unterjocht hat. WüÃte man nicht, daà es Holofernes ist, könnte man ihn auch für einen Märtyrer halten, so menschlich wie Caravaggio die Martyrien malt, oder an die Bemerkung denken, die im Siebenkäs unmittelbar vor der Rede vom Weltgebäude herab fällt, daà mancher Unterdrücker in Wahrheit ein Messias sei, nehme er doch die Sünden der Menschen auf sich oder füge er ihnen deshalb Schmerz zu, damit sie erlöst werden können. Das Unerhörte geschieht: Holofernes wird zum Opfer, damit Judith zur Täterin. Du blöde Kuh! denke ich, wie Caravaggio in schlechten Momenten bestimmt über Fillide Melandroni dachte, die stadtbekannte Kurtisane, die für Judith Modell stand, du dumme Pute, du schneidest einem Mann den Hals ab und verziehst nicht einmal das Gesicht. Hat er nicht auch Ãhnlichkeit mit Caravaggio selbst? Doch, doch, legt man das berühmte Selbstporträt daneben, das früher auf den Hunderttausend-Lire-Scheinen abgebildet war, könnten Augen, Mund und Nase fast dieselben sein, auÃerdem die Haare. Daà Caravaggio sich nur dort an den Text hält, wo es ihm paÃt, beweist er mit der Magd, die in der Bibel vor dem Zelt wartet, hier jedoch, weil Judith alles berechnet hat, neben dem Bett die Schürze bereithält, um den Kopf aufzufangen. Judith ist hübsch, eine Judith kann man nicht anders als hübsch malen, brutal, sadistisch, aber hübsch â dafür malt Caravaggio die Magd um so abstoÃender. Man achte wieder nur auf das Gesicht, verdecke das übrige Bild mit Zetteln: die übergroÃen Ohren, die mit Sicherheit schon hinter vielen Türen gelauscht haben, die klobige Nase, die ein Leben lang in allem steckte, was sie nichts anging, die Mundwinkel heruntergezogen aus jahrzehntelanger MiÃgunst, die Augäpfel, die vor Erregung hervortreten â nein, ein Engel, sogar ein Racheengel hat andere Begleiterinnen als diese geifernde Greisin, die schon das Leben zur Hölle zu machen vermag. Unverschämter indes ist Judith selbst, ist ihr Blick, dieser spöttische, minimal angeekelte, wie zum Hohn mitleidige Blick mit dem gekräuselten Oberlippchen so arglistig, wie es die Liebenden der persischen Literatur von ihren Geliebten sagen und die Sufis von Gott: »Er quält sie mit der
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