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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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heirateten viele Kinder innerhalb der Verwandtschaft, so daß der Mullah aus Aserbaidschan auch ein Vorfahre Großmutters ist. Sie war sechzehn, als sie verheiratet wurde, Großvater schon fünfunddreißig, behauptet die Mutter. Großvaters eigener Erinnerung nach heiratete er 1924, da wäre er etwa dreißig gewesen. Manchmal erwähnt die Mutter Kleinigkeiten, die Großvater wahrscheinlich bewußt übergeht. So verschweigt er vermutlich aus Respekt vor Urgroßvater, daß er jedesmal, wenn er Isfahan verließ, um nach Teheran zur Amerikanischen Schule zu fahren, das traditionelle Gewand des Seminaristen trug, nur um es auf dem ersten Rastplatz gegen seine Schuluniform zu tauschen oder andere westliche Kleidung. Er traute sich mithin bis zum Ende seiner Schulzeit nicht zu gestehen, daß er die Gewänder, die ihm Urgroßvater in Isfahan anfertigen ließ, in Teheran nicht gebrauchen konnte. Allerdings ist es auch gut möglich, daß die Mutter nur die Geschichte des ersten Kleidertauschs aufbauscht, den Herr Djawaheri veranlaßte, bevor er Großvater zur Einschulung brachte. Ihre Fassung ist auch sonst – wie nenne ich es, ohne respektlos zu sein? – etwas zugespitzt. Bei ihr quittierte Großvater den Dienst bei der Zollbehörde am Persischen Golf, weil er nicht länger die Ausbeutung und Drangsalierung der Bevölkerung durch die belgischen Kolonialisten mit anzusehen vermochte. Das ist natürlich, ohne Respekt gesprochen, eine glatte Lüge. In seiner gesamten Dienstzeit erlebte Großvater lediglich zwei Belgier, die sich bereicherten, Monsieur K-L-T und Monsieur F-R-U , und den Persischen Golf verließ er nicht etwa aus patriotischen Gefühlen, sondern weil ihm das Klima nicht bekam. Auch die Geschichte mit dem Bart, den er abrasieren sollte, liest sich bei der Mutter ungleich dramatischer. Ihr zufolge war nicht die Einweihung eines neuen Gebäudes der Anlaß, sondern der Besuch von Reza Schah persönlich, und Großvater sei damals Bankdirektor gewesen, nicht bloß Stellvertreter. Entsprechend bat ihn auch nicht sein gutmütiger Vorgesetzter in Isfahan, sich zu rasieren, vielmehr befahl es der skrupellose Präsident der Iranischen Nationalbank persönlich; und entsprechend entschuldigte sich Großvater nicht bloß für die Einweihungszeremonie, i wo: er kündigte auf der Stelle. Drei Tage nach der Abreise des Schahs sei er unter vielen Entschuldigungen und größten Respektbekundungen wieder in die Bank gerufen worden, mit Bart und Beförderung auf welche Position auch immer, da er Direktor doch vorher schon gewesen sein soll.
    Wie früher üblich waren die Großeltern finanziell voneinander unabhängig. Großmutter erhielt Großvaters Gehalt und finanzierte davon den Haushalt, während er von den Einnahmen seiner Ländereien lebte. Neben den »Tausenden Familien«, für deren Wohl er verantwortlich war (ein paar hundert Bauern werden es gewesen sein, die ihren kargen Lohn nicht fürs Faulenzen erhielten), versorgte er die Familie seines verstorbenen Bruders Mohammad Ali (den Selbstmord übergeht die Mutter ebenfalls) und kümmerte er sich um seine taubstumme Schwester Monireh, die zwei Kinder hatte und einen Nichtsnutz als Mann, der das Geld, das er nicht besaß, für Schnaps und Opium ausgab. Herr Mussawi war kein schlechter Mensch, beliebt sogar, vor allem bei den Frauen. Er sah gut aus, er hatte Charme, er konnte mitreißend erzählen – alles Eigenschaften, die Tante Monireh, die von den Erzählungen ihres Mannes nichts verstand, mit Mißtrauen erfüllten. Wann immer Herr Mussawi bei einer Geselligkeit eine Frau ansprach, witterte sie eine Unanständigkeit. So groß war ihre Eifersucht, daß Herr Mussawi sich daraus einen Spaß machte. Immer wieder zog er ein Photo aus der Geldbörse und tat so, als würde er es heimlich betrachten. Manchmal seufzte er dabei laut auf und schloß vor Sehnsucht die Augen. Alle tuschelten schon, und Tante Monireh wurde schier verrückt. – Jetzt ist es geschehen, dachte sie, jetzt hat er sich in eine dieser Nutten verliebt, ist Himmel hilf so in sie verschossen, daß er ihr Photo sogar in meiner Anwesenheit betrachten muß. Alle Versuche mißlangen, an die Geldbörse zu gelangen und festzustellen, mit wem er sie betrog, bis Herr Mussawi eines Abends am Korsi mit dem Photo in der Hand einschlief. Alle starrten auf

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