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hat keinen Empfang, merkt er um 3:05 Uhr, auch nicht auf der Terrasse, wahrscheinlich wegen des Gewitters. Die Ãrzte ohne Grenzen können ihn gar nicht erreichen.
Um 3:13 Uhr fährt der Berichterstatter mit dem Motorroller durch teichgroÃe Pfützen die menschenleere, gleichwohl hellerleuchtete Uferpromenade auf und ab, bis er am äuÃersten Ende des alten Hafens Menschen vor einem französischen Kriegsschiff entdeckt. Wahrscheinlich ist es zu groà für die Mole, die für die Flüchtlinge vorgesehen ist. Fünfundsechzig Somalier sind im Sturm gerettet worden, schnappt er auf, darunter dreizehn Frauen, achtzig Seemeilen vor der libyschen Küste gerettet, eine Schwangere, fünfter Monat, ein Verletzter. Daà es ein Schiff von FRONTEX ist, welches die Flüchtlinge aufgenommen hat, und so nah an der libyschen Küste, wundert die Ãrzte ohne Grenzen. Genaues weià niemand, aber alle meinen, auch die Frau vom Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen, daà FRONTEX dafür da sei, die Flüchtlinge von Europa abzuhalten. Wer für den italienischen Staat arbeitet, auÃer den Zöllnern und Carabinieri auch die Mitarbeiter des Aufnahmelagers, gibt sich durch Latexhandschuhe zu erkennen wie der Westen in Afghanistan. Aus einem Kleinlaster wird ein Kanister mit Desinfektionsmitteln entladen. â Und die Flüchtlinge, fragt der Berichterstatter, wo sind sie? Da der Bus noch nicht eingetroffen ist, sitzen sie im Schiffsinnern, wo sie es wärmer haben. Die Chiffre Somalier kennt der Berichterstatter bereits: Wahrscheinlich gehören sie einer einzigen Familie oder einem einzigen Clan an, ihre Flucht hat vor Monaten begonnen, zu Hause hatten sie Krieg, kann sein, daà sie vertrieben worden sind, bestimmt gab es Tote. Das Gegenteil von Sonntagsausflüglern. Soldaten reichen vom Deck groÃe rote Plastiktüten, die beinah leer sind, für jeden Flüchtling eine, nimmt der Berichterstatter an, deren Habseligkeiten. Alle auf der Mole sprechen mit gedämpfter Stimme, ob mit oder ohne Latexhandschuhe, flüstern beinah und reden überhaupt nur sehr wenig, stehen nur da und starren aufs erleuchtete Schiff mit den fünfundsechzig Geretteten im Bauch, als warteten sie aufs Christkind. Wenn sich jetzt alle an den Händen faÃten, mit und ohne Latexhandschuhe, um ein Weihnachtslied zu singen â der Berichterstatter wäre nicht einmal überrascht, so dankbar ist er für den Segen, den Rettung doch bedeutet. Dann fällt ihm ein, daà er der einzige ist, der eine solche Landung zum ersten Mal erlebt, aber ein tunesischer Ãbersetzer wird ebenfalls pathetisch, als der Berichterstatter ihn anspricht, und seine Augen glänzen. Wenn der Begriff des Märtyrers heute eine Bedeutung habe, sagt der Ãbersetzer, der Zeugenschaft, wie es das arabische Wort schahâda ebenfalls bezeichnet, dann für sie, die im Schiffsbauch warten, um ans Licht zu treten, und alle anderen Flüchtlinge dieser Nacht, die es nicht mehr erblicken. Sie seien die Zeugen unserer Zeit. Alltagssprachlich trifft es Martyrium allerdings auch, meint der Berichterstatter. Und dann sprechen sie über Jonas und die Flüchtlinge in den heiligen Büchern, über Maria, Josef und das Jesuskind, und der Berichterstatter sagt, daà diese Geschichten nicht einer fernen Vergangenheit angehörten, sondern hier stattfänden, dreihundert Meter vom Strand, wo die Urlauber morgen wieder baden, und dahinten sind die Hafenrestaurants, in denen sie zu Mittag essen, wenn das französische Kriegsschiff längst wieder vor Libyen kreuzt, um andere Flüchtlinge aufzuhalten. Noch bevor der Bus eintrifft, spürt er die Unruhe, die alle erfaÃt, eine stille Aufregung, obwohl sich nur drei Soldaten auf dem Deck in Bewegung gesetzt zu haben scheinen. Durch eine Luke treten sie ins Schiffsinnere und kurze Zeit später mit den ersten Flüchtlingen wieder hervor, die sie am Arm stützen, einem älteren Mann zuerst, der offenbar am Bein verletzt ist, dann die Schwangere, wirklich wie Josef und Maria, zwei unglaublich Fremde, nicht nur wegen ihrer dunklen Haut und dem weiten, exotischen Gewand der Frau mit dem roten Kopftuch, das nach somalischer Art bis über den Bauch reicht, viel fremder ihre Blicke, verstört, scheu, ängstlich und doch dankbar dem Leben, daà sie es behalten haben. Hinter Maria die Prozession der übrigen Flüchtlinge, erst die Frauen, junge
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