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keinen anderen Gatten gefunden. Deshalb hatte GroÃvater ihr auch zugesprochen, endlich schwanger zu werden. Wenn erst einmal Kinder da wären, so hatte er angenommen, würde Herr Mussawi schon endlich Verantwortung zeigen, oder wenigstens hätte Tante Monireh eine Abwechslung zu ihrer tristen Ehe. Inzwischen hatte sie bereits ihr zweites Kind geboren, aber erträglicher, wie GroÃvater es ihr versprochen, war ihr Leben dadurch nicht geworden. Ich muà all das hinzufügen, um den Schock zu erklären, der GroÃvater durchfuhr, als er seine Schwester am zugefrorenen Kanal entdeckte, den Rücken ihm zugewandt, neben ihr die Windeln zum Waschen. Natürlich fühlte er sich schuldig. Er fühlte sich immer schuldig, aber diesmal wahrscheinlich zu Recht. Als ob er nicht gewuÃt hätte, daà sie taub war, rief er von hinten: Schwester, was tust da? Du erkältest dich. Er lieà meine Mutter und meine Tante am Wegrand stehen, lief ans Ufer und berührte Tante Monireh an der Schulter, damit sie ihn wahrnahm. Sie erschrak sich zu Tode, so schien es meiner Mutter, die nicht älter als sieben, acht Jahre alt gewesen sein dürfte, erstes oder zweites Schuljahr, blickte dann eine Weile überrascht und verwirrt, bevor sich wie in Zeitlupe Entsetzen und Scham in ihrem Gesicht abzeichneten. Die nassen Windeln lieà Tante Monireh fallen und stöhnte ihre Stummellaute: eh eh eh. Was wollte sie ihm sagen? GroÃvater knetete ihre nassen, eiskalten Hände und schaute sie kaum weniger bestürzt an als sie ihn. Plötzlich fing er an zu weinen, fing so heftig an zu weinen, daà Tante Monireh ihn wie einen kleinen Jungen in den Arm nahm und es meiner Mutter, die ein paar Meter entfernt am Wegrand stand, noch heute, siebzig Jahre später, in der Seele weh tut. Während er Tante Monireh ins Haus führte, steckte er ihr wieder Geld in die Manteltasche und mahnte sie mit Gebärden, es diesmal in acht zu nehmen, damit Herr Mussawi es nicht wieder klaut. Soll der berühmte Schriftsteller doch wenigstens aussprechen, daà die siebenundachtzig Seiten zu nichts nutze sind, die ihm der jüngere Kollege ausgedruckt hat.
â Wie jeden Tag ging GroÃvater mit seinen beiden Töchtern an der Hand von Tante Monirehs Haus weiter zu seiner Mutter, der Hadschiyeh Esmat, die an fortgeschrittenem Diabetes mellitus litt und fast immer im Bett lag. UrgroÃmutter war dick, hatte eine sehr helle Haut, blaue Augen und immer ein Paket Gaz unter ihrem Bett versteckt, Isfahans weiÃe SüÃigkeit aus Zucker, EiweiÃ, Manna, Pistazien und Rosenwasser, von ähnlicher Konsistenz wie türkischer Honig, dabei sehr aromatisch und weniger süÃ. Sobald GroÃvater aus dem Schlafzimmer ging oder mit etwas anderem beschäftigt war, kramte sie die Schachtel hervor und hielt sie den Kindern hin. Weil Gaz in Mehl eingelegt wird, um weich zu bleiben, half es ihr nichts, daà die Kinder die Stückchen blitzschnell in den Mund steckten. An ihren Fingern, die sie sich ableckten, und den weiÃen Schnurrbärten â meine Tante, vier oder fünf Jahre alt, hatte vielleicht auch eine weiÃe Stupsnase wie ich früher oft â verrieten sie sich und damit UrgroÃmutter. GroÃvater geriet dann jedesmal in Zorn, wenn er wieder ins Zimmer trat, und schalt sie in einer Schneidigkeit, die sonst nie von ihm zu hören war, daà die vielen SüÃigkeiten nicht gut seien für die Kinder, denen er schon auf dem Weg ein Eis spendiert habe; wenn überhaupt solle sie ihnen Obst anbieten, aber nicht schon wieder von ihrem Gaz. Gewià schimpfte GroÃvater nicht so sehr wegen der Kinder; er ärgerte sich, weil UrgroÃmutter trotz ihrer Zuckerkrankheit weiterhin eine Schachtel Gaz unter dem Bett versteckte. Wie gut kenne ich die Argumente, wie gut den Ton, der einem Sohn, der sonst für höflich gehalten wird, nur gegenüber den eigenen Eltern unterläuft, gegenüber seiner Mutter, die ihre Enkel natürlich ebenso augenzwinkernd mit SüÃigkeiten versorgt, gegenüber seinem Vater, der auch mit einundachtzig Jahren und nach zwei Operationen am offenen Herzen meint, mit dem Auto zwischen Siegen und Köln oder mit Ãbergepäck um die halbe Welt reisen zu müssen. GroÃvater wechselte UrgroÃmutter den Verband um die wunden Beine. Dann rief er Zaghol, UrgroÃmutters Dienerin â die häÃliche Zaghol, die bereits uralt war, als sie noch
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