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tatsächlich nichts zahlten, wie es unter allen Völkern wirklich nur Deutschen passieren kann. Mitsamt unserer Familie waren wir dann nicht mehr zwanzig oder fünfundzwanzig, die auf den Teppichen saÃen, sondern fünfzig, sechzig wie zu GroÃvaters Zeiten, allerdings aus aller Welt, sogar aus Japan, aus Indien, aus Israel mit amerikanischem PaÃ, und manchmal schmuggelte ich in das Autoradio meine Rockmusik, mit der ich am liebsten durch Isfahan fuhr, oder die Radiosendungen des einen Moderators, die ich Anfang der neunziger Jahre Woche für Woche mit den Fingern auf den Aufnahmetasten verfolgt hatte, und tanzte das eine Jahr mit dem einen Mädchen und im nächsten schon mit dem anderen, das zu meiner Frau wurde, und beides war schön, auch die Augenbrauen, die die Tanten hochzogen, waren schön. Vor GroÃvater hätte ich mich nicht getraut, aber wie gesagt die anderen auch nicht, Wodka zu trinken. Das beste wäre, man reiÃt sich los von dem, was man liebt, von Tschamtaghi, überhaupt von Isfahan, wo wir kaum jemanden noch haben, von Iran, weil dort niemand mehr eine Zukunft sieht, »man reiÃt sich los und hofft darauf, daà die Wunde heilt«, wie es John Coetzee im dritten seiner sogenannten (von wem?) autobiographischen Romane über die Farm seiner GroÃeltern schreibt, den heiligen Ort seiner Kindheitssommer. Die deutsche Ãbersetzung lag als Fahnendruck unaufgefordert im Briefkasten, weil ich â so bilde ich mir ein, um keinen Zufall gelten zu lassen â in einigen Absätzen über Jean Paul, die ich für die Zeitung aus dem Roman kopierte, den ich schreibe, John Coetzee erwähne. »Diese herrliche Zeit kommt nie wieder; es ist das beste, wenn man die alten Orte nicht immer wieder aufsucht und dann beim Abschied betrauert, was für immer verschwunden ist.« Sein »selbstgewähltes Exil« nennt GroÃvater Tschamtaghi, der im Alter so viel Zeit dort verbrachte, wie es die Geburtstage der Enkel und anderen familiäre Verpflichtungen nur eben zulieÃen, oft allein, wie es scheint, oder wahrscheinlicher mit der kleinwüchsigen, buckligen Baguli, die als einzige Dienerin übriggeblieben war. Dort, und nur dort scheint er noch Frieden gefunden zu haben, wie die Mutter bestätigt. Die Abschnitte, die er auf fünfzehn, zwanzig, ich zähle nach: vierundzwanzig engbedruckten Seiten aneinanderreiht, als wolle er noch den letzten Leser vertreiben, sind weniger eine Liebeserklärung denn ein Liebesbeweis. Wer immer der Adressat war, GroÃvater muÃte beweisen, wieviel ihm das Stück Land fünfunddreiÃig Kilometer fluÃabwärts von Isfahan bedeutete, wie tief seine Wurzeln reichten, welches Glück er darin fand, es blühen zu sehen. Er selbst kann unmöglich geahnt haben, daà kurze Zeit später Tschamtaghi besetzt werden, daà kurze Zeit später er sich aufreiben, demütigen, auf den Knie fallen, betteln, heulen, schreien und dennoch den gröÃten Teil verlieren sollte; ich hingegen, der ich in Vertretung, wenn schon nicht der allgemeinen Leserschaft, dann wenigstens der Kinder und Kindeskinder seinem Leben Beachtung schenke, ich sehe seine Zukunft voraus.
Während Kartschegan zu den Dörfern gehört, die Hadsch Mollah Schafi Choà Anfang des neunzehnten Jahrhunderts fluÃaufwärts von Isfahan aufkaufte, kam Tschamtaghi erst vor drei Generationen in den Besitz unserer Familie. Laut einer Urkunde, die der Gouverneur von Isfahan unterschrieb, Prinz Zell-e Soltan, und der Oberste Rechtsgelehrte jener Zeit mit einem Siegel versah, erwarb es UrgroÃvater am 14. März 1901 von Scheich Firuz od-Din, bekannt als Firuz Mirza, Sohn des Zell-e Soltan. »Sent: 4-Feb-2009 9:58:43 Ja wir sehen uns in diesen tagen.mich freut die nachricht sehr doll. bin gerade wieder in der klinik.wir müssen uns dann kurzfristig suchen,denn wo ich bis dahin sein wird,das weià ich nicht.wie schön das du schon fast hier bist.herzlichst« Gut zehn Hektar war das Grundstück groà und verfügte über eine historische Festung, drei Kilometer südlich des Dorfes Kartschegan und zweiundsiebzig Kilometer westlich von Isfahan (von wegen fünfunddreiÃig Kilometer, wie die Mutter schrieb, so kurz kam ihr als Kind die Fahrt mit der Kutsche vor). Wie GroÃvater zufällig von Abdolhossein Fachar erfuhr, dem Besitzer der Ziegelfabrik nahe der Chaladjha-Kreuzung, und sich nach weiteren Recherchen
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