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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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ihn verspotten. Dabei sollten sie ihm dankbar sein, gibt er doch als einziger das Widerwort, das der Meinungsbetrieb braucht. Der weihevolle Ton in der Presse machte skeptisch. Mehr als die Huldigungen sprach für das Fenster der Einwand des Kardinals. Die Ältere fragte, ob man es nicht für die neue Moschee nehmen könne, wenn der Kardinal das Fenster partout nicht wolle, und wir dachten uns einen entsprechenden Brief der Kölner Muslime an die katholische Kirche aus. Ein neues Fenster für den Dom! Ich kriege vor Angst weiche Knie wegen dieser oder jenen Rede, die ich zu halten habe, wo Gerhard Richter vor einer Aufgabe stand, die bedeutsam ist buchstäblich für Millionen und Jahrtausende. Man sagt das so, daß man den Atem anhält, es passiert nicht oft. Als ich mit dem Kinderwagen vor dem Südquerhaus ankam, ist es mir passiert. Ich blickte hoch, nicht bloß sprach-, sondern atemlos. Das Fenster ist riesig (113 Quadratmeter, wie ich nachgelesen habe), und es leuchtet. Es ist voller Selbstbewußtsein und negiert zugleich das Menschliche. Man muß zugeben, daß der Dom vor allem Fassade ist. Der Dom ist außen. Innen, gewiß, beeindruckt er, hat Stellen, die verzaubern, Blicke, Details. Aber für ein Gesamtkunstwerk hat die Kraft nicht gereicht. Nur von außen ist er die eine und einzige Kirche, das Weltgebäude. Innen sind andere Kirchen magisch, auch in Köln. Der Dom hat nichts Göttliches, das doch etwas Leichtes, undurchdringlich Klares, damit Himmlisches wäre wie das Tadsch Mahal, die Kapelle Sant’Ivo, in die ich mich in Rom verguckte oder mancher Dorftempel auch. Der Dom ist Menschheitsleistung. Er wirkt groß eben in seinem Protz, seiner Angeberei. Er preist nicht Gott, sondern die Kölner. Ich mag das, nicht nur als Kölner. Mit dem Richter-Fenster legt das Innere nach. Vielleicht gibt es auch etwas zurück, das durch den Krieg verlorenging. Natürlich paßt es nicht zu den anderen Fenstern, zum Dom insgesamt, es strahlt die Jetztzeit aus. Nur gehört der Dom ohnehin keiner bestimmten Epoche an, weil sich in ihn alle Epochen eingeschrieben haben. Unpassend wäre gewesen, heute etwas Gestriges hinzuzufügen. Viel heller wirkt der Dom, als wir es gewohnt waren, jedenfalls das Schiff, und das erweist sich als ein großer Gewinn. Paradoxerweise ist er nicht nur moderner geworden, sondern zugleich älter, weil sich die Verbindung zu den romanischen Kirchen auftut. Der Kardinal hat recht: Mit dem Richter-Fenster ziehen die Abstraktheit, die mathematische Anordnung und sogar manche Farbprinzipien der islamischen Baukunst in den Dom ein. Mit seinen Lichteinflüssen vertreibt es das Düstere, Abgestandene, das dem Dom immer etwas von einer Abstellkammer verlieh. Plötzlich macht sich das Außen bemerkbar in seinem Wandel. Das Spiel, das Sonne und Wolken mit dem Südlicht erzeugen, ist spektakulär. Und man kann es nicht durchdringen in seiner Klarheit. Die Kölner – daß die meisten Kölner waren, hörte ich an der Sprachmelodie – stehen in Trauben davor und blicken hoch wie Somnambule. Es ist auch die Erleichterung, daß dem Dom, unserem Dom, nichts angetan worden ist als etwas Gutes. Die Operation ist geglückt, würde der Chef des Herzzentrums aufatmen. Bereits nach einem ersten Besuch unvorstellbar, daß sie etwas Figürliches eingestellt hätten, wie es der Kardinal wollte, die katholischen Märtyrer des zwanzigsten Jahrhunderts oder – nein, das muß jemand anders gefordert haben – eine Auseinandersetzung mit dem Holocaust.
    Ich lege mich jetzt fest: Großvater hat die Selberlebensbeschreibung bereits in den siebziger Jahren verfaßt, genauer: 1976 oder 1977, weil 1975 Großajatollah Milani starb, bei dessen Seele Großvater um Verzeihung für seinen Übermut bittet, und 1978 die Revolution ausbrach. Auch die Mutter, die mich überhaupt erst auf die falsche Fährte geführt hatte mit ihrer Behauptung, ihn bei ihren letzten Aufenthalten in Isfahan meist am Schreibtisch angetroffen zu haben, bestätigte es vor einigen Tagen. – Aber Sie sagten doch selbst, erinnerte ich die Mutter, daß Großvater die Selberlebensbeschreibung kurz vor seinem Tod verfaßt habe, nach der Revolution, sagten Sie. Nein, das habe ich nie gesagt, widersprach die Mutter, es wäre ja auch Unsinn, weil Großvater nach der Revolution körperlich gar nicht mehr in der Lage

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