Dein Name
Einschnitt gewesen. Die Theke ist dennoch vom Vorkrieg geblieben, ebenso die mechanische Kasse, das dunkle Regal und drauÃen das Firmenschild überm Schaufenster. Erst seit er zurück ist, geht dem Nachbar auf, wie viele Häuser Nischen in ihren Fassaden haben, in denen noch die Jungfrau wacht, überm Teehaus, über den Modelleisenbahnen und selbst überm Pornokino. Mindestens als Fassade wird Colonia hinterm Bahnhof katholisch bleiben, wenn der Weltgeist, der in Köln Stadtsanierung heiÃt, längst die Türken und Nutten vertrieben haben wird. Eine verdammt coole Blonde betrat den Imbià gegenüber vom Teehaus und fragte, ob sie heute um halb neun fünf Fladenbrote abholen könne. â Ist schon notiert, meine Dame, zeigte der blonde Syrer auf seine Stirn, als ob er jemals Bestellungen entgegennehme, aber wenn die Blonde um halb neun zurückkehrt, und zufällig ist gerade das Fladenbrot ausgegangen, wird er ihr zehn ofenfrische auf die Party bringen. Nebenan in der Kneipe dann, wo auf der Welt gibt es das schon?, der Trinkspruch von Heimito von Doderer: »Nüchtern ist das Chaos, die Voraussetzungslosigkeit. Berauscht sind wir von dem, was wir festhalten wollen: und das ist zuletzt nichts als unsere eigene Berauschtheit.« Daà Birnen auf türkisch »Armut« heiÃen, ist dem Nachbarn ebenfalls erst bei der Rückkehr aufgegangen. Seither fragt er sich jeden Tag, wenn er an dem Obststand des türkischen Supermarkts vorbei ins Büro geht, ob er nicht ein Kilogramm Armut kaufen sollte, obwohl er Birnen nicht besonders mag, nur wegen des Namens, nur weil Namen wichtig sind, und seien sie falsch geschrieben wie das Teppich-Paradis , dem es so gut geht, daà seine Hammerangebote inzwischen bis in den Hauseingang des Nachbarhauses ausliegen. Seit er zurück ist, arbeitet der Nachbar endgültig im Basar. Merkwürdig nur, daà der Hausmeister nicht einschreitet, der als einziger in der Gasse deutsch ist, ohne Rheinländer zu sein, noch dazu Westfale wie der Nachbar ja auch. Mit Blick auf die junge Polin, die während des Jahres das Büro gemietet hatte, vergab der Hausmeister sein gröÃtes Lob: unauffällig. Zu ihrer eigenen Ãberraschung hat die Tochter von Frau Balke jr. keine Kölschstangen vorrätig. â Das kann doch nicht sein, murmelt sie ein ums andere Mal, das kann doch nicht sein, während sie alle Schubladen des Vorkriegs ausräumt. Der Nachbar will keine Kölschstangen kaufen; die Tochter von Frau Balke jr. will nur prüfen, ob die Bürste zu 1,50 Euro, die sie ihm ans Herz legt, sich auch in schmale Gläser schmiegt. Anhand anderer, etwas breiterer Gläser kommt sie zu dem Ergebnis, daà die empfohlene Spülbürste im Fall von Kölschstangen nicht der wahre Jakob sei. Sie hat immer so katholische Ausdrücke, die der Nachbar sich leider nie aufschreibt, am lustigsten den, als sie den wiederverwendbaren Teebeutel an der gläsernen Kanne ausprobierte, deren Ãffnung zu weit für die metallene Halterung des Beutels war, so daà der Beutel in die Kanne fiel. Es wäre schon gegangen, der Nachbar hätte Teebeutel und Kanne dennoch gekauft, man muÃte nur die Halterung zwischen Innenrand und Deckel quetschen, dann hätte, schief zwar, der Beutel gehalten und wären die Teeblätter nicht ausgelaufen, aber als die Tochter von Ed. Balke jr. eine ihrer Kürzestexegesen hinlegte, hatte sich die Möglichkeit des Kaufs sofort erledigt: Eine Teebeutel-, Teetassenkombination, die biblischen Spott auf sich zieht, kann auch ein Nicht- oder Andersgläubiger nicht ernsthaft besitzen wollen. Was die Spülbürste betrifft, überrascht der Nachbar sie, indem er zusätzlich zur ursprünglich empfohlenen eine sogenannte Babyflaschenbürste kauft, die in eine Kölschstange dringt wie der Schwanz in die Möse, um es in der Ausdrucksweise der Romane zu sagen, wie er sie früher schrieb.
1963 rief der Schah die sogenannte WeiÃe Revolution aus. Für viele überraschend, griff er damit die Forderung nach einer Bodenreform auf, die bereits die Konstitutionelle Bewegung Anfang des Jahrhunderts gestellt hatte. Die WeiÃe Revolution sah vor, daà der Staat die GroÃgrundbesitzer gegen eine üppige Entschädigung weitgehend enteignete und die Bauern mit Krediten ausstattete, damit sie den Boden kaufen konnten, den sie bestellten. Damals gehörten einem Prozent der Iraner
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