Dein Name
Assunta , Raffaels Transfiguration und seine kandierte Barbusige aus dem Palazzo Barberini in die Weinkiste, danach die GroÃeltern väterlicherseits, einfache, gute Leute, das sieht man gleich, hilflos vor die Kamera geholt, zwei Stühle auf einem Teppich vor der schmalen Haustür aus unbehandeltem Holz, wissen nicht, wohin mit dem Blick, er hat die Schuhe noch aus, sie hat sich eigens welche angezogen, ohne Kopftuch sie, wie es in den fünfziger, sechziger Jahren kaum anders ging, beide jünger als sein Vater jetzt und die Erklärung für seinen Ehrgeiz, der durch gröÃere Türen gehen wollte. Bereits auf dem Tisch liegt das Photo der anderen GroÃeltern, den Eltern seiner Mutter, die so freundlich war, den Musiker in München anzurufen, obwohl sie ihm nur einmal begegnet ist, aber tief. â Er hat geweint, sagte sie. â Er hat wirklich geweint? fragte der Sohn, der sich nicht vorstellen konnte, daà der Musiker am Telefon weint. â Nein, nicht geweint, antwortete die Mutter, aber er war sehr bedrückt, wie er selbst sagte, gerade heute so bedrückt, weil Silvester ist und die Familie verstreut, sein Vater krank, seine Schwester mit dem Baby in Berlin, seine Mutter auf dem Friedhof. Ach, dieses Lachen der GroÃmutter, dieses herzerwärmende Lachen, das jeden Lügen straft, der zu unseren Vätern hält, und ihre groÃe Hand, die auf GroÃvaters Schulter liegt, und GroÃvater lächelt zufrieden, mit einem gewissen Trotz, aber zufrieden, wie er es gegen Ende seines Lebens doch gar nicht gewesen sein soll und vor der Einladung zum Kindergeburtstag doch war. Ein Photo hängt jetzt noch in der Wäschekammer, das Gruppenbild mit Turbanen, auf dem als einziger UrgroÃvater lacht, dafür um so befreiter. Unten rechts der Kleine mit dem scheuen Blick, der wie früher der Internist oder heute der Neffe aussieht, ist GroÃvater selbst, im neunzehnten Jahrhundert, und in zweieinhalb Stunden wird es bereits 2009. Das ist auch wie Armeausbreiten. Man tut so, als sei es die ganze Zeit. »Sent: 31-Dec-2008 21:35:17 JA JA SO WÃNSCHEN WIR U SO WILL ICH MEINEN GEIST AUSSENDEN â¦alles liebe für Dich u Familie bis sehr bald«
Wie um mich vorzuführen, bescherte mir gleich der erste Tag eine Zeugenschaft. Ich hatte meine Stunde mit der Frühgeborenen, begeistert wie immer, wenn ich in ihr zufriedenes, waches Gesicht blicke, hatte keine Lust auf den Rhein, an dem ich in der Nacht schon spazieren war, als mir Gerhard Richters Domfenster einfiel, über das seit seiner Enthüllung in Köln diskutiert wird. An sich hatte ich der Ãlteren versprochen, es mit ihr anzuschauen, sobald wir zurück sind, doch war die Gelegenheit so günstig und meine Neugier zu groÃ. Das neue Fenster, wie immer es wäre, würde uns von nun an begleiten, noch länger als ein kostbarer Teppich. Ansonsten möchte ich zum Dom zunächst soviel nur sagen, daà mich seit der ersten Klassenfahrt nach Köln die Vorstellung erhob, zu seinen FüÃen zu leben, und ich mir der Erfüllung jedesmal dankbar bewuÃt werde, wenn ich zu ihm aufblicke. Ich war auch nervös, obschon mir die Photos gefielen, die ich in der Zeitung gesehen hatte, mich die Abstraktheit theoretisch überzeugte und mir das Zufallsprinzip, wenn schon in Klavierkonzerten, dann erst recht für ein Gotteshaus einleuchtete. Vier Jahre lang hat Gerhard Richter Entwurf um Entwurf angefertigt, bis die zweiundsiebzig Farbtöne feststanden, die für den Dom notwendig sind. Mit Physikern hat er die Lichtstrahlen und ihre Spiegelung zu den verschiedenen Tageszeiten berechnet, mehrfach Probescheiben in die Fensteröffnung eingesetzt, von jedem Farbton zweiundsiebzig Quadrate hergestellt und mit Programmierern an der geeigneten Software getüftelt. Aber dann hat er auf einen Knopf gedrückt, die Taste eines Computers, der die zweiundsiebzig mal zweiundsiebzig Farben durch einen Zufallsgenerator anordnete. Allein, noch waren es Photos in der Zeitung und war es lediglich ein Prinzip. Wie würden die 5184 Quadrate im Domfenster aussehen? Alle Kritiken, die ich gelesen hatte â und ich las in Rom alles zum Thema, was bis nach China zu finden war â, klangen begeistert, so daà es, genau betrachtet, keine Debatte, sondern nur den Kölner Kardinal gibt, der das Fenster passender findet für eine Moschee, und alle anderen, die sich über den Kardinal aufregen oder
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