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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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nicht über den Chaiberpaß schaffte, wartete der Archäologe Aurel Stein zwanzig Jahre auf sein Visum und erhielt es gerade rechtzeitig, um in Kabul zu sterben. »Heute genügt ein bißchen Takt und Geduld, um sich das kostbare Visum zu verschaffen, doch wenn man nach Einbruch der Dunkelheit im Grenzort Laskur-Dong an der Straße Quetta–Kandahar eintrifft, ist niemand da, dem man es vorlegen könnte. Kein Zollbüro, kein Schlagbaum, keine wie immer geartete Kontrolle, nur das weiße Band der Piste zwischen den Lehmhäusern und das Land offen wie eine Mühle.« 6:47 Uhr usbekische Zeit, 3:00 Uhr auf dem Laptop, 27. November 2006. Der Flug nach Kabul ist wegen schlechter Sicht um zwei weitere Stunden verschoben. Als sein Reisegefährte im Ort den Zollbeamten sucht, schläft Bouvier, der sich an der Hand verletzt hat, im Auto ein. »Das Geräusch der Tür ließ mich jäh auffahren: Ein alter Mann hielt mir eine Laterne unter die Nase, während er auf persisch heftig auf mich einredete. Er trug einen weißen Turban, ein weißes Gewand, einen wohlgepflegten Bart und um den Hals eine Kette mit einem faustgroßen silbernen Siegel. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, daß dies der Zollbeamte war. Er hatte sich eigens herbemüht, um uns gute Fahrt zu wünschen und mir die Adresse eines Arztes in Kandahar zu geben. Seine Kleidung, sein ganzes Auftreten, die Liebenswürdigkeit, mit der er seine Amtspflichten ausübte, machten mir diesen alten Mann so sympathisch, daß ich ihn blödsinnigerweise – um ihn nicht in Ungelegenheit zu bringen – darauf aufmerksam machte, daß unser Visum seit sechs Wochen abgelaufen war. Er hatte es schon selbst bemerkt, ohne sich darüber sonderlich aufzuregen. In Asien hält man sich nicht so genau an den Stundenplan, und warum sollte man uns im August die Einreise verweigern, die man uns für den Juli gestattet hätte? In zwei Monaten verändert sich der Mensch so wenig.«
    Der Berichterstatter, der Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts in Kabul landet, trägt eine bleierne Schutzweste und einen Helm. In einem Konvoi aus gepanzerten Landrovern bringen ihn britische Soldaten in das Hauptquartier des Nordatlantikpakts, der den Wiederaufbau des Landes militärisch absichern sollen. Von der Stadt sieht er einen Schlitz, kleiner als die Fenster der Burkas, die in Kabul nur noch wenige Frauen tragen. Als ihn die Soldaten nach der Powerpointpräsentation zu einem Ausbildungszentrum der afghanischen Armee bringen, darf der Berichterstatter immerhin wie ein Wachmann aus der Dachluke schauen. »Alamo« heißt das Lager aus Containern, Fertighäusern, Zelten, in dem die amerikanischen Ausbilder leben. – Finden Sie es nicht schade, daß Sie überhaupt nichts von der Stadt sehen? fragt der Berichterstatter den freundlichen First Sergeant, der ihn herumführt. – Ach, das ist kein Problem, antwortet der First Sergeant: Wenn ich mal raus will, dann frage ich drei Kollegen, und wir fahren zum Hauptquartier oder nach Bagram zu unseren Jungs. Es müssen drei Kollegen sein, weil der Nordatlantikpakt grundsätzlich nur in Konvois aus mindestens zwei gepanzerten Wagen à zwei Soldaten durch die Stadt fahren darf. Manche Soldaten finden es selbst merkwürdig, daß man dem Volk, dem man doch helfen wolle, nur mit Schutzweste, Helm und geladenem Maschinengewehr begegne. Aber das sei nun einmal notwendig aus Gründen der Sicherheit. Natürlich versteht der Berichtersterstatter. Auch am 27. November 2006 hat sich wieder ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. Der Berichterstatter versteht auch die Desinfektionsmittel vor jeder Kantine, an jedem Waschbecken, in jeder Klozelle. Sie sind notwendig aus Gründen der Hygiene. Er versteht, daß die Kantinen grundsätzlich keine Nahrungsmittel aus Afghanistan verwenden und also buchstäblich jedes Reiskorn, jeder Tropfen Wasser eingeflogen wird. Das ist notwendig nicht aus Gründen der Sicherheit, wie er vermutet hat – sondern weil sonst die Preise auf den lokalen Märkten in die Höhe schießen würden, wie der Küchenchef des Schweizer Unternehmens erklärt, der beim Catering in Krisengebieten weltweit an der Spitze steht. Daß Afghanen niemals in Berührung mit den Nahrungsmitteln kommen und in der Küche also nur den Abwasch erledigen dürfen, während die Angestellten des

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