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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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in Vorbereitungsseminaren eingebleute Vorschrift, als ob Afghanistan giftig sei, oder nur ein Spruch, den alle auf den Lippen führen, eine goldene Regel vietnamgestählter GIs, darin war sich der Berichterstatter nicht sicher, da er mittags local food bemerkt zu haben meinte, was der Photograph allerdings für abwegig hielt, so daß sie auf die, nein, nicht auf die Mongolei, so daß sie auf etwas kamen, das sie auf die Mongolei brachte, eine Landung zwischen der Kantine und der Mongolei, vergleichbar der Zwischenlandung in Urgensch, die allerdings zwei Tage dauerte und nicht nur zwei Sekunden. Während der Photograph im Geist die israelische Mauer entlangläuft, fragt sich der Berichterstatter, wo sie zwischen der Kantine und der Mongolei gewesen waren. – Etwas mit Ananas? fragt der Photograph zurück, den der Berichterstatter unterbrochen hat. – Ananas, ja, Ananas, aber was war mit der Ananas? – Du interessierst dich gar nicht für meine Geschichten, seufzt der Photograph, der gemerkt hat, daß der Berichterstatter tippt statt zuzuhören. – Ich höre dir sehr wohl zu, während ich tippe, entgegnet der Berichterstatter. – Tauche ich etwa in deiner Reportage auf? fragt der Photograph. – Höchstens auf den Waschzetteln, wie ich manchmal versehentlich an deinen Bildrändern. – Die will ich aber auch sehen, sagt der Photograph prompt, dessen Mitteilungen, die nicht aufhören, inzwischen bei Sodom und Gomorrha angelangt sind. Es ist nämlich nicht nur so, daß der Berichterstatter tippt, während der Photograph spricht. Der Photograph selbst liest Marcel Proust, während er spricht, und ist soeben auf einige Sätze gestoßen, die den angeblich schwulen deutschen Diplomaten charakterisieren würden, der im Zimmer nebenan übernachtet. Beide haben zu viele Eindrücke, um bei einem einzigen zu bleiben. – Ich werde dir in meinem Testament meine Festplatte vermachen, verspricht der Berichterstatter. – Das ist zu spät, murrt der Photograph, ich will vorher an den Speck. Die beiden sitzen sich in einem hellgekachelten Zimmer des Hauptquartiers der Internationalen Truppen in Afghanistan auf ihren unbezogenen Eisenbetten gegenüber und reden bei Flutlicht über Proust und ob der deutsche Diplomat, der vorhin angeklopfte, wirklich scharf auf den Berichterstatter ist, wie der Photograph behauptet. – Mein Arbeitstag ist noch nicht zu Ende, beendet der Berichterstatter alle Spekulationen und fährt endlich mit dem Bericht fort, den ich erstatte: Er ist Gast des Nordatlantikpakts, der in Afghanistan das Kommando über die Internationalen Truppen stellt, derzeit 32.500 Soldaten. Aus ihrer Perspektive blickt er auf das Land. Das ist neu für den Berichterstatter, aber üblich geworden für den Journalismus, auch wenn es nicht üblich ist, das zu erwähnen. Afghanistan ist nicht der Irak. Er hätte mit einer zivilen Maschine einreisen und sich als Ausländer im größten Teil des Landes frei bewegen können. Die Sicherheitslage ist nicht so prekär, daß man als Zivilist eine Montur tragen müßte, die von außen wie der Anzug eines Astronauten anmutet und sich von innen so schwer anfühlt. Von Afghanen freundlich empfangen zu werden, dürfte noch immer (oder wieder) die Regel sein. Aber wer beobachten möchte, wie sich das Selbstverständnis des Imperiums seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion verändert hat, sollte nicht nur von außen auf die gepanzerten Fahrzeuge blicken, mit denen der Westen durch immer mehr Länder fährt, um deren Ordnung zu bewahren oder wiederherzustellen. ISAF steht auf den Uniformen der Soldaten, International Security Assistance Force ,darunter in arabischen Lettern der Schriftzug in der Landessprache Dari: komak o hamkâri – »Hilfe und Zusammenarbeit«. Wer mit dem Nordatlantikpakt in Afghanistan unterwegs ist, muß dessen Konzept nicht weniger kritisch sehen, die humanitäre Hilfe als Teil der militärischen Strategie zu behandeln, die darauf zielt, den Truppen ein sicheres Umfeld zu sichern und Informationen zu sammeln. Er kann der Inflation mißtrauen, die dem Begriff »humanitär« zuteil geworden ist (bis hin zu den »humanitären Bomben«, die ein NATO -Sprecher auf den Kosovo fallen sah). Aber auf der persönlichen Ebene entwickeln sich Verständnis und hier und dort sogar Bewunderung, wie es der

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