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weniger behinderte Kinder«, sagt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie, »das ist ganz klar auch ein Ergebnis der pränatalen Diagnostik.« Natürlich ist die Frage, vor der die Eheleute stehen, eine Allerweltsfrage. Fast alle schwangeren Frauen ab fünfunddreiÃig Jahre in der westlichen Zivilisation und gegebenenfalls deren Männer dürften vor der gleichen Frage stehen. Die schwangeren Frauen auÃerhalb der westlichen Zivilisation und deren Männer hätten gern die gleichen Kopfschmerzen. Von ihnen selbst, ihrer Familie, vielleicht noch engen Freunden abgesehen, interessiert es niemanden, wie sie sich entscheiden, auch keinen der Kameraden, die sich links und rechts der Steckdose in Lufthansadecken mummeln oder auf dem PVC in Embryohaltung liegen.
Selbst ihn, den Sitzblockaden vor dem Verteidigungsministerium sozialisierten, erfaÃt die Gruppendynamik, etwa in der Selbstverständlichkeit, einem Soldaten, der seine Zahnpasta im Zelt vergessen hat, im Sanitärcontainer auszuhelfen. Natürlich würde er, würde jeder jedem mit Zahnpasta aushelfen, allein, die allgemein empfundene Selbstverständlichkeit zu bitten, die Selbstverständlichkeit zu teilen, egal, ob es die Zahnpasta oder eine Decke ist, ob er Soldat ist oder nicht, schwarze Haare hat oder nicht, lernte er zum letzten Mal im FuÃballverein kennen und nicht wie hier im BewuÃtsein, daà es um Leben und Tod gehen könnte. Hier ist die Kameradschaft nicht etwas, das hinzukommt; hier ist sie das, zu dem alles andere hinzukommt. »O nimmt mich, nimmt mich mit in die Reihen auf, / Damit ich einst nicht sterbe gemeinen Tods! / Umsonst zu sterben, liebâ ich nicht, doch /Liebâ ich, zu fallen am Opferhügel.« In dem Gefühl dazuzugehören entdeckt der Berichterstatter mehr als in den Waffen oder dem Kriegführen die Anziehung des Militärischen. Was sich auftut, wenn einer auÃerhalb der Gruppe steht oder gestellt wird, sieht er in der Kürze nicht. In der Kürze staunt er über die Höflichkeit der jungen Deutschen, die er in Deutschland nicht gewohnt ist. Im Zelt haben alle Kameraden Verständnis, daà der Berichterstatter auf dem Feldbett noch den Laptop aufgeklappt hat, einer hilft sogar mit seiner Taschenlampe aus. Der einzige Soldat, der einmal brüllte, war ein Kölner, der sich über die Mitteilung des Berichterstatters freute, daà ihr FuÃballverein ein Zweitligaspiel gewonnen und der neue Trainer bereits die Kabinenansprache gehalten habe. Die beiden kamen in der sogenannten Bar des Luftgeschwaders Termez ins Gespräch, die zu betreten nach zwei Tagen unterwegs und zwei weiteren Stunden der Wartens in der Kälte aufs Gepäck mitsamt anderen Büchern mindestens so köstlich war wie die Wonne an des Orkus Thoren, obwohl die Bar nur aus einer groÃen, zeltartigen Turnhalle besteht, in der einige Girlanden hängen. Den Vormarsch des Imperiums hat der Berichterstatter sich anders vorgestellt: Während die Rekruten sich die lange Zeit zwischen den Diensten mit TischfuÃballturnieren vertreiben, stehen die Offiziere an der Theke, als sei es in Usbekistan gemütlich. Da ihm auf der Ebene des Kumpelhaften nichts und des Männerbündnerischen nichts anderes als FuÃball einfällt, ergeben sich längere Gespräche natürlicherweise nur mit denen, die sich Gedanken machen. Er kann nicht beurteilen, wie repräsentativ sie sind. Kameraden, ruft jemand, fertig zum Abflug. 0:00 Uhr. Wünschen wenigstens Sie dem Berichterstatter Geburtstag.
»Es ist noch immer ein Privileg, Afghanistan zu besuchen«, schrieb der Schriftsteller und Photograph Nicolas Bouvier, der 1953 mit seinem Fiat Topolino von der Schweiz aus über Kabul bis nach Bombay fuhr: »Bis vor nicht allzulanger Zeit war es eine Leistung. Da die britische Armee Indien nicht zuverlässig unter Kontrolle halten konnte, blockierte sie hermetisch die östlichen und südlichen Zugänge. Die Afghanen ihrerseits verpflichteten sich, keinen Europäer in ihr Gebiet einzulassen. Sie haben beinah Wort gehalten und sind sehr gut damit gefahren.« Kaum einem Dutzend westlicher Draufgänger sei es bis 1922 gelungen, Afghanistan zu besuchen, schreibt Bouvier. Die Gelehrten hätten weniger Glück gehabt. MuÃte der Indologe Darmestetter sich damit begnügen, seine Informanten in pakistanischen Gefängnissen zu besuchen, weil er es
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