Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
oder als lebensgroße Statue, gefangen in versteinerter Positur, unfähig, mir die Nase zu kratzen oder die Tauben zu verscheuchen.
Monk kommt mit meinen Tabletten und einem Glas Wasser zurück. Er muss meinen Kopf festhalten, um mir die Tabletten auf die Zunge zu legen. Wasser kleckert auf mein Hemd.
»Tut es weh?«, fragt er.
»Nein.«
»Hab ich es irgendwie schlimmer gemacht?«
»Es ist nicht Ihre Schuld.«
Levodopa ist die goldene Standardtherapie gegen Parkinson. Es soll den Tremor reduzieren und die plötzliche Erstarrung von Gliedmaßen verhindern.
Meine Bewegungen werden gleichmäßiger. Ich kann das Wasserglas halten und noch einen Schluck trinken.
»Ich möchte wieder rein.«
»Das geht nicht«, sagt er. »Ihre Frau möchte Sie nicht dabeihaben.«
»Sie weiß nicht, was sie sagt.«
»Auf mich hat sie einen ziemlich entschlossenen Eindruck gemacht.«
Worte, meine besten Waffen, haben mich unversehens im Stich gelassen. Ich blicke an Monk vorbei und sehe, wie Julianne in einem Mantel zu einem Polizeiwagen geführt wird. Veronica Cray geht neben ihr.
Monk lässt mich bis zum Tor kommen.
»Wohin fahren Sie?«, rufe ich.
»In die Zentrale.«
»Lassen Sie mich mit Julianne reden.«
»Sie will im Moment nicht mit Ihnen reden.«
Julianne ist auf dem Rücksitz des Wagens verschwunden. Bevor die Tür zugeschlagen wird, zieht sie den Mantel unter ihre Schenkel. Ich rufe ihren Namen, aber sie reagiert nicht. Der Motor wird angelassen.
Ich sehe ihnen nach. Sie irren sich. Jede Faser meines Seins in mir sagt mir, dass sie sich irren. Ich kenne Gideon Tyler. Ich weiß, wie sein Verstand funktioniert. Er wird Julianne zerstören. Es spielt keine Rolle, dass sie die stärkste, mitfühlendste, intelligenteste Frau ist, die ich kenne. Darauf hat er es abgesehen. Je mehr sie empfindet, desto stärker wird er sie beschädigen.
Die anderen Wagen fahren auch los. Monk bleibt. Ich folge ihm zurück ins Haus und setze mich an den Tisch, während er eine Tasse Tee kocht und die Telefonnummern von Juliannes und meinen Verwandten zusammensucht. Imogen und Emma sollen heute irgendwo anders übernachten. Meine Eltern wohnen näher. Juliannes Eltern sind vernünftiger. Monk kümmert sich darum.
Derweil sitze ich mit geschlossenen Augen am Küchentisch und rufe mir Charlies Gesicht in Erinnerung, ihr schiefes Lächeln, ihre blassen Augen, die winzige Narbe auf der Stirn von dem Tag, an dem sie mit vier Jahren von einem Baum gefallen ist.
Ich atme tief durch und rufe Ruiz an. Im Hintergrund jubelt eine Menschenmenge. Er ist bei einem Rugby-Spiel.
»Was gibts?«
»Charlie. Er hat Charlie entführt.«
»Wer? Tyler?«
»Ja.«
»Bist du sicher?«
»Er hat Julianne angerufen. Ich habe mit Charlie gesprochen.«
Ich berichte ihm von Charlies Fahrrad im Straßengraben und den Anrufen. Während ich erzähle, höre ich, wie Ruiz sich aus der Menge entfernt und eine ruhigere Stelle sucht.
»Was willst du jetzt machen?«, fragt er.
»Weiß nicht«, krächze ich. »Wir müssen sie zurückbekommen.«
»Bin schon auf dem Weg.«
Nach dem Gespräch starre ich auf das Telefon, als könnte ich es mit schierer Willenskraft zum Klingeln bewegen. Ich möchte Charlies Stimme hören. Ich versuche, mich an ihre letzten Worte zu erinnern, bevor Gideon sie entführt hat. Sie hat mir einen Witz über eine Frau in einem Bus erzählt. Die Pointe fällt mir nicht mehr ein, aber sie hat gelacht und gelacht.
Jemand klingelt an der Tür. Monk macht auf. Der Pfarrer ist gekommen, um seine Hilfe anzubieten. Ich habe ihn nach unserem Umzug nach Wellow nur ein Mal getroffen. Er hat uns zum Gottesdienst eingeladen, eine Einladung, der wir immer noch nicht gefolgt sind. Ich wünschte, ich könnte mich an seinen Namen erinnern.
»Ich dachte, Sie möchten vielleicht beten«, sagt er leise.
»Ich bin nicht gläubig.«
»Schon in Ordnung.«
Er macht einen Schritt nach vorne, sinkt auf die Knie und bekreuzigt sich. Ich sehe Monk an, der meinen Blick erwidert, unsicher, wie er reagieren soll.
Der Pfarrer hat den Kopf gesenkt und die Hände gefaltet.
»Gütiger Gott, ich bitte dich, die kleine Charlotte O’Loughlin zu beschützen und sicher zu ihrer Familie zurückzubringen …«
Ohne nachzudenken, hocke ich unsehens neben ihm auf den Knien und senke den Kopf. Manchmal geht es in einem Gebet weniger um Worte als um das reine Gefühl.
57
Wenn ein Mann nichts sein Eigen nennen kann, findet er Wege, sich in den Besitz von anderen zu
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