Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
Vertrauen, Seelenfrieden, Ruhe. Er hat meinen Kindern beim Schlafen zugesehen. Emma hat gesagt, sie hätte ein Gespenst gesehen. Sie ist aufgewacht und hat mit ihm gesprochen. Er hat Julianne isoliert, ihr gesagt, welchen Lippenstift sie auftragen und welchen Schmuck sie anlegen soll. Er hat sie dazu gezwungen, sich nackt ans Schlafzimmerfenster zu stellen.
Ich habe immer versucht, dunkle Gedanken beiseitezuschieben, und mir vorgestellt, dass meiner Familie nur Gutes widerfahren würde. Beim Blick in Charlies süßes, blasses, sich veränderndes Gesicht habe ich beinahe geglaubt, ich könnte sie vor Schmerzen und einem gebrochenen Herzen bewahren. Jetzt ist sie weg. Julianne hat recht. Es ist meine Schuld. Ein Vater sollte seine Kinder beschützen, sie sicher behüten und, wenn es sein muss, sein Leben für sie geben.
Ich sage mir immer wieder, dass Gideon Tyler Charlie nichts antun wird. Es ist wie ein Mantra in meinem Kopf, aber die Botschaft bringt keinen Trost. Außerdem sage ich mir, dass Leute wie Gideon - Sadisten und Psychopathen - selten sind. Heißt das, Charlie gehört zu den wenigen, die Pech hatten? Niemand soll mir damit kommen, dass das Leben in einer freien Gesellschaft seinen Preis hat. Nicht diesen Preis. Nicht, wenn es um meine Tochter geht.
An die Festnetzleitung des Hauses werden Aufnahmegeräte angeschlossen, und ein Scanner ist programmiert worden, um die Handygespräche aufzufangen. Unsere SIM-Karten sind
in Handys mit GPS-Funktion transferiert worden. Ich frage, warum. DI Cray sagt, es sei eine Vorsichtsmaßnahme. Möglicherweise wollen sie eine mobile Fangschaltung versuchen.
Gerahmt von dem Fenster sieht das Dorf aus wie die Illustration aus einem Kinderbuch mit großen bauchigen Wolken, die von Sonnenstrahlen gestreift werden. Imogen und Emma sind nach nebenan zu Mrs. Nutall gegangen. Nachbarn sind nach draußen gekommen, um die Polizeiwagen und Transporter vor dem Haus zu bestaunen. Sie unterhalten sich beiläufig, tauschen Höflichkeiten aus und tun so, als würden sie nicht verstohlen die von Haus zu Haus gehenden Detectives beobachten. Die Kinder sind nach drinnen gescheucht worden, weggesperrt vor der unbekannten Gefahr, die in ihren Straßen lauert.
Ich höre, wie oben erneut die Dusche läuft. Julianne versucht ein weiteres Mal, das Geschehene abzuwaschen. Wie lange ist das jetzt her? Drei Stunden. Egal, was geschieht, dieser Tag wird sich in Charlies Gedächtnis graben. Die Erinnerung an Gideon Tylers Gesicht, an seine Worte und seine Berührungen wird sie verfolgen.
Monk duckt sich in der Tür, als er die Küche betritt und den Raum unversehens kleiner wirken lässt. Er sieht DI Cray an und schüttelt den Kopf. Die Polizei hat an jede Tür geklopft, Bewohner befragt und Charlies Weg zurückverfolgt. Nichts.
Ich weiß, was sie denken. Gideon ist weg. Er hat es geschafft zu entkommen, bevor die Polizei die Straßen abgeriegelt hat. Seit 12.42 Uhr hat keines der beiden Handys, die Gideon benutzt hat, ein Signal gesendet. Er weiß garantiert, dass wir ihn darüber orten können. Deswegen wechselt er so häufig die Telefone und schaltet sie zwischendurch aus.
Wie auf Stichwort trifft in diesem Moment Oliver Rabb ein. Wie ein nervöser Stadtstreicher schlurft er, eine Laptoptasche über der Schulter, eine karierte Mütze auf dem Kopf, den Weg zum Haus hinauf. Auf der Türmatte streift er sorgfältig den Dreck von seinen Schuhen.
Er baut seinen Laptop auf dem Küchentisch auf und lädt die
neuesten Daten der am nächsten gelegenen Basisstationen herunter, um das Signal zu triangulieren.
»In Gegenden wie dieser ist es schwieriger«, erklärt er und streicht unsichtbare Falten aus seiner Hose. »Es gibt weniger Sendemasten.«
»Ich will keine Ausreden hören«, sagt Veronica Cray.
Oliver kehrt an den Bildschirm zurück. Im Garten versammeln sich Detectives an den sonnigen Stellen und stampfen mit den Füßen auf, um sich warm zu halten.
Oliver schnaubt.
»Was ist?«
»Beide Anrufe liefen über denselben Mast - den nächsten.« Er macht eine Pause. »Aber ihr Ausgangspunkt liegt außerhalb dieser Gegend.«
»Was bedeutet das?«
»Er war nicht im Dorf, als er Sie angerufen hat. Er hatte die Gegend bereits verlassen.«
»Aber er wusste, was Julianne anhatte. Er hat sie gezwungen, sich ans Schlafzimmerfenster zu stellen.«
Oliver zuckt die Achseln. »Dann muss er sie irgendwann vorher gesehen haben.«
Er wendet sich wieder dem Bildschirm zu und erläutert Charlies
Weitere Kostenlose Bücher