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Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter

Titel: Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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das Geschehen beobachtet. Er pellt ein Ei und wirft die Schalen in eine braune Papiertüte.
     
    Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub … Ist irgendjemandem schon aufgefallen, dass Friedhöfe wie Komposthaufen riechen? Sie haben Blut und Knochen über die Rosen gesprenkelt. Es steigt mir direkt in die Nase.
    Die Trauernden sind in Schwarz wie Krähen, die um ein überfahrenes Tier flattern. Ich spüre ihre Trauer, aber es kommt mir nicht traurig genug vor. Ich kenne wahre Traurigkeit. Es ist das Geräusch eines Kindes, das seine Geburtstagsgeschenke ohne mich öffnet und Kleider trägt, die ich bezahlt habe. Das ist traurig.
    Der Psychologe ist auch da; er ist wie einer dieser B-Promis, die noch zur Eröffnung eines Testaments kommen würden. Diesmal hat er seine Frau mitgebracht, die viel zu scharf für jemanden wie ihn ist. Aber vielleicht macht sein Gezitter das Vorspiel ja interessanter.
    Wer ist sonst noch da? Die Lesbe von der Polizei und ihre Stummfilm-Trottel-Bullenbrigade. Darcy, die Tänzerin, ist stoisch und tapfer. Wir sind uns am Tor kurz begegnet, und in ihrem Blick flackerte so etwas wie Wiedererkennen auf, als wüsste sie nicht mehr genau, ob sie mich kennt. Doch dann bemerkte
sie meinen Overall und die Schubkarre und verwarf den Gedanken.
    Der Pfarrer erzählt der Trauergemeinde, dass der Tod nur der Beginn einer Reise ist, ein Märchen, das durch die Jahrhunderte widerhallt. Brüste beben, Tränen tropfen, dabei ist der Boden schon feucht genug. Warum trifft der Tod die Menschen jedes Mal wie ein Schock? Obwohl er doch bestimmt die fundamentalste aller Wahrheiten ist. Wir leben. Wir sterben. Dieses Ei zum Beispiel. Wäre es befruchtet und warm gehalten worden, hätte vielleicht ein Küken daraus werden können. Stattdessen wurde es in kochendes Wasser geworfen und zu einem Imbiss verarbeitet.
    Köpfe senken sich zum stillen Gebet. Mäntel flattern im auffrischenden Wind um Knie. Die Äste über mir ächzen wie die Leiber toter Seelen.
    Ich muss los. Ich habe Orte aufzusuchen … Schlösser zu knacken … Willen zu brechen.
     
    Der Gottesdienst ist vorbei. Wir gehen über die Wiese bis auf den Weg. Ein feuchtwarmer Duft steigt von den Blumenbeeten auf, und am perlgrauen Himmel fliegen Zugvögel in Formation Richtung Süden.
    Bruno Kaufman fasst meinen Arm. Ich stelle ihm Julianne vor. Er verbeugt sich übertrieben.
    »Wo hat Joseph Sie versteckt?«, fragt er.
    »Nirgendwo speziell«, erwidert sie, fröhlich auf seinen Flirt eingehend.
    Wir stehen den anderen Trauergästen im Weg. Darcy geht in Begleitung mehrerer Freundinnen ihrer Mutter, die ihr offenbar alle die Hand drücken und übers Haar streichen wollen. Ihre Tante schiebt ihren Großvater den Weg hinauf und beklagt sich über die Steigung.
    »Überall Polizisten, alter Junge«, sagt Bruno und wirft einen Blick zu Monk und Safari Roy. »Sie stechen hervor wie lila Kühe.«

    »Ich hab noch nie eine lila Kuh gesehen.«
    »In Madison, Wisconsin, gibt es jede Menge bunter Kühe«, sagt er. »Keine echten. Skulpturen. Eine Touristenattraktion.«
    Er hebt an, eine Anekdote aus seiner Zeit an der University of Wisconsin zu erzählen. Eine Böe weht seinen Pony nach oben, wo er, der Schwerkraft trotzend, einen Moment verharrt. Bruno erzählt die Geschichte für Julianne. Ich blicke an ihm vorbei und bemerke Maureen.
    »Wir haben uns noch nicht kennengelernt«, spreche ich sie an. »Das mit Christine und Sylvia tut mir sehr leid. Ich weiß, dass Sie mit beiden befreundet waren.«
    »Meine beiden besten Freundinnen«, sagt sie mit stockendem Atem.
    »Wie geht es Ihnen?«
    »Mir geht es gut.« Sie schnäuzt sich die Nase. »Ich habe Angst.«
    »Wovor haben Sie Angst?«
    »Meine beiden besten Freundinnen sind tot. Das macht mir Angst. Die Polizei ist in mein Haus gekommen und hat mich befragt, das macht mir Angst. Bei lauten Geräuschen schrecke ich zusammen. Ich verriegele die Türen, blicke beim Fahren in den Rückspiegel … und das macht mir auch Angst.«
    Sie schiebt das durchgeweichte Papiertaschentuch in ihre Manteltasche und zieht ein neues aus einer Plastikverpackung. Ihre Hände zittern.
    »Wann haben Sie sie zum letzten Mal gesehen?«
    »Vor zwei Wochen. Wir haben ein kleines Privatklassentreffen gefeiert.«
    »Was für ein Privatklassentreffen?«
    »Nur wir vier - die alte Clique aus Oldfield. Wir waren zusammen auf der Schule.«
    »Das hat Bruno erwähnt.«
    »Wir haben uns in unserem Lieblingspub verabredet. Helen hat es

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