Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
mich, ob das ein Signal ist. Ich höre gedämpfte Kommentare.
»Das bringt mich zu einem weiteren Punkt«, sage ich. »Möglicherweise hat er seine Opfer gar nicht direkt berührt.«
Niemand reagiert. Monk meldet sich als Erster. »Wie meinen Sie das?«
»Vielleicht haben die Opfer ihn gar nicht zu Gesicht bekommen.«
»Aber Sylvia Furness war mit Handschellen an einen Baum gefesselt.«
»Das hätte sie auch selbst machen können.«
»Und was ist mit der Kapuze?«
»Auch das könnte sie selbst gewesen sein.«
Ich erläutere die Spurenlage. Das Feld war schlammig. Unter dem Baum hat man nur ein Paar Fußabdrücke gefunden. Es gab keinerlei Anzeichen für sexuelle Gewalt oder einen Kampf. Keine anderen Reifenspuren führten zu dem Feld.
»Damit will ich nicht sagen, dass er die Tatorte nicht vorher besichtigt hat - er hat sie sorgfältig ausgewählt. Außerdem war er meiner Ansicht nach in der Nähe - darauf deutet das Handysignal hin. Aber ich glaube nicht, dass sie ihn gesehen hat. Ich glaube nicht, dass er sie körperlich berührt hat.«
»Gehirnwäsche«, sagt Roy.
Ich nicke.
Ich höre pfeifende Seufzer und skeptisches Grunzen. Das übersteigt ihr Fassungsvermögen.
»Warum? Was ist sein Motiv?«, fragt DI Cray.
»Rache. Wut. Sexuelle Befriedigung.«
»Was - sollen wir uns eins aussuchen?«
»Es ist alles drei. Dieser Mann ist ein sexueller Sadist. Es geht ihm nicht darum, Frauen zu töten. Es ist viel persönlicher. Er demütigt sie. Er vernichtet sie psychisch, weil er hasst, was sie repräsentieren. Vielleicht hatte er ein Problem mit seiner eigenen Mutter, einer Exfrau oder einer ehemaligen Freundin. Vielleicht entdecken Sie sogar, dass sein erstes Opfer Auslöser seines Grolls war.«
»Sie meinen Christine Wheeler?«, fragt Monk.
»Nein. Sie war nicht die Erste.«
Ungläubiges Schweigen.
»Es gibt weitere Opfer?«, fragt DI Cray.
»Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.«
»Wann? Wo?«
»Beantworten Sie diese Fragen, und Sie haben ihn. Der Mann, der das getan hat, hat auf diesen Moment hin gearbeitet - er hat geprobt und seine Techniken verfeinert.«
Veronica Cray wendet den Blick ab und starrt stumm und so angestrengt aus dem Fenster, dass ich mich frage, ob sie gerne fliehen und in ein anderes Leben verschwinden würde. Selbst erfahrene Polizeibeamte und Mitarbeiter psychiatrischer Einrichtungen haben ihre Probleme mit der Tatsache, dass jemand intensive, ja, euphorische Lust beim Quälen und Töten eines anderen Menschen empfindet.
Plötzlich reden alle durcheinander. Ich werde mit Fragen, Meinungen und Einwänden konfrontiert. Einige der Detectives wirken richtiggehend eifrig, aufgekratzt von der Aussicht auf die Jagd. Vielleicht ist meine Denkungsart verkehrt, aber ich kann in einem Mord nichts Anregendes oder Anspornendes sehen.
Für diese Männer und Frauen ist die Aufklärung eines Verbrechens eine Berufung, eine Sehnsucht, in einer gebrochenen Welt eine moralische Ordnung wiederherzustellen, ein Mittel, Fragen von Schuld und Unschuld, Gerechtigkeit und Strafe zu erkunden. Für mich ist die einzig interessante Person das Opfer, das alles auslöst. Ohne ihn oder sie wäre keiner von uns hier.
Die Besprechung ist beendet. DI Cray begleitet mich nach unten.
»Wenn Sie mit Ihren Vermutungen über den Mann recht haben, wird er wieder töten, oder nicht?«
»Irgendwann.«
»Können wir ihn bremsen?«
»Vielleicht können Sie mit ihm kommunizieren.«
»Wie das?«
»Er ist nicht darauf aus, die Polizei in ein Katz-und-Maus-Spiel zu verwickeln, aber er liest bestimmt Zeitung, hört Radio, sieht fern. Er hat Anschluss, und das bedeutet, dass Sie ihm eine Botschaft senden können.«
»Was sollen wir sagen?«
»Sagen Sie ihm, dass Sie ihn verstehen. Die Medien bedenken ihn mit wenig schmeichelhaften Attributen. Lassen Sie ihn
die Missverständnisse richtigstellen. Würdigen Sie ihn nicht herab. Bringen Sie ihn nicht gegen sich auf. Er will Respekt.«
»Und was haben wir davon?«
»Wenn Sie ihn zu einem Anruf bewegen können, heißt das, Sie haben ein Ergebnis diktiert. Es ist ein kleiner Schritt. Der erste.«
»Wer überbringt die Botschaft?«
»Es muss ein festes Gesicht sein. Es darf keine Frau sein. Es muss ein Mann sein.«
DI Cray hebt ein wenig das Kinn, als hätte irgendetwas am Horizont ihre Aufmerksamkeit geweckt.
»Wie wär’s mit Ihnen?«
»Nein, nicht ich.«
»Warum nicht?«
»Ich bin kein Detective.«
»Das ist doch egal. Sie kennen diesen Mann.
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