Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
organisiert.«
»Helen?«
»Eine andere Freundin: Helen Chambers.« Sie lässt den Blick über den Friedhof schweifen. »Ich dachte, sie würde kommen. Es ist seltsam. Helen hat das Wiedersehen organisiert; sie war der Grund für unser Treffen. Wir hatten sie alle seit Jahren nicht gesehen, aber sie ist nicht gekommen.«
»Warum nicht?«
»Ich weiß es nicht. Sie hat weder angerufen noch eine Mail geschickt.«
»Sie haben gar nichts von ihr gehört?«
Sie schüttelt schniefend den Kopf. »Das ist ziemlich typisch für Helen. Sie ist berühmt dafür, zu spät zu kommen oder sich in ihrem eigenen Garten zu verlaufen.« Sie blickt an mir vorbei. »Das meine ich ernst. Suchtrupps mussten losgeschickt werden.«
»Wo wohnte sie?«
»Ihr Vater hatte ein Landhaus mit einem riesigen Garten, also sollte ich mich vielleicht nicht über sie lustig machen.«
»Wie lange haben Sie sie nicht mehr gesehen?«
»Seit sieben Jahren. Fast acht.«
»Wo ist sie gewesen?«
»Sie hat geheiratet und ist nach Nordirland und dann nach Deutschland gezogen. Chris und Sylvia waren Brautjungfern. Ich sollte Trauzeugin sein, aber Bruno und ich haben damals in Amerika gelebt, und ich konnte nicht zur Hochzeit kommen. Ich habe ihr per Video alles Gute gewünscht.«
Maureens Augen schimmern. »Wir haben uns alle gegenseitig versprochen, in Kontakt zu bleiben, aber Helen schien einfach davonzutreiben. Ich habe ihr zum Geburtstag und zu Weihnachten Karten geschickt. Hin und wieder kam aus heiterem Himmel ein nichtssagender Antwortbrief. Aus Wochen wurden Monate und dann Jahre. Wir haben uns aus den Augen verloren. Traurig.«
»Und dann hat sie sich bei Ihnen gemeldet?«
»Vor einem halben Jahr hat sie uns allen - Christine, Sylvia und mir - eine E-Mail geschickt und berichtet, dass sie ihren
Mann verlassen hätte. Sie wollte einen Urlaub mit ihrer Tochter machen - um den Kopf frei zu bekommen - und dann heimkehren. Vor einem Monat schickte sie uns dann eine weitere E-Mail, in der sie erzählte, sie sei zurück und wolle sich mit uns treffen. Sie hat das Lokal ausgewählt: das Garrick’s Head in Bath. Kennen Sie es?«
Ich nicke.
»Da waren wir früher dauernd - bevor wir alle geheiratet und Kinder bekommen haben. Wir haben ein paar Drinks genommen, herumgealbert und sind manchmal noch zu einem Club los. Sylvia hat für ihr Leben gerne getanzt.«
Maureens Hände haben aufgehört zu zittern, aber sie kommt nicht zur Ruhe. Sie redet, als ob ein verstoßenes Leben zurückgekehrt sei, um sie zu holen. Eine verlorene Freundin. Eine Stimme aus der Vergangenheit.
»Als ich gehört habe, dass Christine Selbstmord begangen haben soll, habe ich es keine Sekunde geglaubt. Sie würde sich nie auf diese Weise umbringen. Sie würde Darcy nie alleinelassen.«
»Erzählen Sie mir von Sylvia.«
Maureen lächelt traurig. »Sie war ein wildes Mädchen, aber nicht auf eine üble Art. Manchmal habe ich mir Sorgen um sie gemacht. Sie war der Höhenflug-oder-Absturz-Typ und ist viel zu viele Risiken eingegangen. Gott sei Dank war sie mit einem Mann wie Richard verheiratet, der sehr nachsichtig war.«
Ihre Augen sind feucht, doch ihre Wimperntusche scheint wasserfest.
»Wissen Sie, was ich am meisten an Sylvia geliebt habe?«
Ich schüttele den Kopf.
»Ihre Stimme. Ich vermisse ihr Lachen.« Sie blickt sich auf dem Friedhof um. Die Sonne fällt auf ein glänzendes Stück Rasen. »Ich vermisse sie alle beide. Ich vermisse die Gewissheit, sie wiederzusehen. Ständig denke ich, dass sie mich gleich anrufen, mir eine SMS schicken oder auf eine Tasse Kaffee reinschneien …«
Sie schweigt wieder, länger als vorher, ehe sie stirnrunzelnd den Kopf hebt. »Wer tut so etwas?«
»Ich weiß es nicht.«
»Bruno sagt, Sie helfen der Polizei.«
»So gut ich kann.«
Sie blickt zu Bruno, der Julianne gerade erklärt, dass man die frühesten versteinerten Belege für Rosen 35 Millionen Jahre zurückdatieren kann und dass Sappho 600 v. Chr. eine »Ode an die Rose« geschrieben hat, in der sie sie die Königin der Blumen nannte.
»Woher weiß er solche Sachen?«, frage ich.
»Er sagt das Gleiche über Sie.«
Sie blickt beinahe zärtlich zu ihm hinüber. »Früher habe ich ihn geliebt, dann habe ich ihn gehasst, und jetzt hänge ich irgendwo dazwischen. Er ist kein schlechter Mensch, wissen Sie.«
»Ich weiß.«
33
Autos parken in der Einfahrt und auf dem Fußweg vor dem Wheeler-Haus. Darcy empfängt die Trauergäste und nimmt Mäntel und Handtaschen
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