Deine Kinder sind Deine Schuld

besonders übler Laune und verfolgte mich durch den ganzen Schulparkplatz, wobei er mich immer wieder mit der flachen Hand auf den Hinterkopf schlug und mich herumschubste. Jeder um uns herum sah nur zu, meine Freunde und seine Freunde; die meisten von ihnen waren einfach nur froh, dass sie diesmal nicht das Opfer seiner Willkür waren. Auf einmal riss mir der Geduldsfaden. Blitzartig ließ ich meine Bücher fallen, drehte mich um und schlug dem Kerl mit voller Wucht eins mitten auf die Nase. Er fiel auf den Hintern, Blut tropfte aus seinen Nasenlöchern. Ich dachte, er würde sich auf mich stürzen und dann wäre es um mich geschehen. Stattdessen stand er auf, sah mich an und ging wortlos weg. Ich war verblüfft. Die anderen alle auch. Ich war mir sicher, dass er schon am nächsten Tag bittere Rache an mir nehmen würde und dass ich den Tag womöglich nicht überleben würde. Als ich am nächsten Morgen das Schulgebäude betrat und in der Halle an ihm vorbeiging, wartete ich schon darauf, dass er mich in eine dunkle Ecke ziehen und mich dort zusammenschlagen würde. Was tat er? Er senkte den Blick und ging stumm weiter. Er belästigte mich von da an niemals wieder. Seither habe ich beobachtet, dass sein Verhalten ziemlich typisch für Leute seinesgleichen war. Sie sind Feiglinge, die nur darauf warten, dass sich jemand mal richtig zur Wehr setzt, aber jeden herumstoßen, der bereit ist, ihr Opfer zu sein. Bringen Sie Ihrem Kind bei, dass es sich nicht damit abfinden darf, immer das Opfer zu sein. Manchmal jedoch kann es einem, wenn man sich wehrt, schon passieren, dass man richtig schlimm verdroschen wird. Das ist immer drin. Mein Vater hat mir beigebracht, dass es besser ist, eine blutige Nase zu riskieren, als in ständiger Angst leben zu müssen. Er hatte recht. Es ist besser, sich zu wehren und einen Kampf zu verlieren, als immer wieder die Beleidigungen zu schlucken und dabei seine Würde und seine Selbstachtung zu verlieren.
    Ich bin nicht für Kämpfe. Für Gewalt habe ich nichts, aber auch gar nichts übrig. Aber dafür, sich fortgesetzt wehrlos misshandeln zu lassen, bin ich auch nicht. Und ob Sie es glauben oder nicht, die Schule kann Ihr Kind nicht ständig beaufsichtigen und beschützen. Auch Sie können es nicht jedes Mal, wenn so ein kräftiger Grobian auftaucht, vor ihm schützen. Deshalb sage ich: Wenn Ihr Kind immer wieder geschlagen wird, wird es Zeit, ihm beizubringen, sich zu wehren.
    Andererseits ist es manchmal auch wichtig zu lernen, wie man einem Grobian aus dem Weg geht und einfach weiterläuft.
    Ich ging einst zusammen mit einem Jugendlichen namens Wayne auf die Junior High-School. Ich weiß noch genau, wie er mit Nachnamen hieß; während ich heute sicher leben kann, sitzt er irgendwo im Todestrakt eines Gefängnisses. Ich drucke hier nicht seinen ganzen Namen ab, denn man weiß nie, vielleicht findet er mich doch eines Tages, wenn er ausbricht und bringt mich um. Er war schon als Kind in einer Besserungsanstalt, weil er einen Vogelkäfig mit Katzen vollgestopft, mit Benzin übergossen und angezündet hatte. Er war ein durch und durch böses Kind. Wir alle wussten es und hatten gute Gründe, ihn zu fürchten. Er trug stets ein Klappmesser bei sich und es bereitete ihm Vergnügen, es einem zu zeigen und einem zu sagen, wie er einen damit umbringen würde. Er meinte es ernst. Deshalb hielt ich mich von dem Burschen fern, so gut ich konnte. Die anderen auch.
    Wenn Ihr Kind von Mitschülern schikaniert wird, bringen Sie ihm bei, dass es sich zur Wehr setzen muss und nicht länger das Opfer spielen darf. Manchmal reicht bei solchen Typen schon ein ordentlicher verbaler Anschiss. Sagen Sie dem Übeltäter, dass Sie keine Lust haben, sich länger von ihm malträtieren zu lassen. Wie gesagt, manchmal genügt das – manchmal aber auch nicht. Machen Sie sich bewusst, dass Sie Ihrem Kind beibringen müssen, sich selbst zu verteidigen. Ihr Kind wird es später in der wirklichen Welt gut gebrauchen können.
    Grobiane sind notwendig für eine gesunde Entwicklung Ihres Kindes. Manchmal ist der Grobian Ihr Kunde oder Ihr Chef – oder der Kollege in der Kabine nebenan. Manchmal ist es der kleine Trottel von der Einkaufsabteilung. Ich war einmal in einer Firma angestellt, da war es eine 70 Jahre alte Frau am Empfang. Alle im Hause, selbst der Präsident der Firma, hatten vor dieser Person Angst. Sie war vom Gründer der Firma angeheuert worden, hatte also schon die Anfangszeiten mitgemacht und obwohl er