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Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Titel: Deine Lippen, so kalt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Garvey
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ist, ob er den Versuchsaufbau richtig hinbekommen hat.
    »Mein Gott, was ?« Die Worte platzen aus meinem Mund, ehe ich darüber nachdenken kann, und er schenkt mir bloß jenes amüsierte Grinsen.
    »Ich dachte, du hättest vielleicht gern etwas Gesellschaft«, sagt er mit einem Achselzucken.
    »Da hast du falsch gedacht«, verkünde ich und steuere auf die Tische ganz am Ende des Raumes zu. Die Cafeteria hat die Ausmaße einer Turnhalle und es herrscht genauso viel Krach, und der fast leere Tisch, den ich mir ausgesucht habe, scheint meilenweit entfernt.
    Besonders, da Gabriel sich an meine Fersen geheftet hat, als hätte ich kein Wort gesagt, als hätte ich ihm nicht den ganzen Tag über »Bleib mir vom Leib«-Vibes geschickt.
    Ich rufe ihm in Gedanken Stalker zu, richtig laut, aber als ich einen Blick über die Schulter werfe, guckt er nur ziemlich verwirrt.
    »Mensch, hau ab«, zische ich, als ich mein Tablett abstelle. Die zwei Freshmen-Mädchen am anderen Ende des Tisches gucken verblüfft hoch und ich rolle mit den Augen. »Nicht ihr.«
    Gabriel zieht einen Stuhl heran und setzt sich mir gegenüber. Doch bevor ich etwas sagen kann, hebt er die Hand. »Ich hab’s kapiert, okay? Ich hätte nicht … Ich wollte nicht, dass es so blöd rüberkommt. Ich würde mich gerne dafür entschuldigen. Okay? Es ist keine große Sache. Ich meine, das ist es schon, aber … ich werde niemandem etwas verraten.«
    Mein Herz pocht schon wieder wie verrückt und ich bin es dermaßen leid. Es macht mich fix und alle, dieses ganze Adrenalin und was sonst noch daran schuld ist, dass es mir so geht: in meinen Adern summt und klingt es, dass ich mir vorkomme wie ein Katastrophenalarm auf zwei Beinen.
    Ich starre Gabriel eine Sekunde lang an und seine kühlen grauen Augen erwidern meinen Blick vollkommen ernst. Ich weiß, dass er sich nicht über mich lustig macht, auch wenn ich damit wahrscheinlich besser umgehen könnte. Ich werfe den beiden Mädchen am anderen Ende des Tischs einen Blick zu. Sie haben aufgehört, ihre von Mama geschmierten Brote zu essen, an denen sie sich mit beiden Händen festklammern, und ich funkle sie wütend an, bis sie sich ihre Butterbrottüten und angeknabberten Karottenstäbchen schnappen und flüchten.
    »Das war nicht besonders nett«, sagt Gabriel, aber er grinst dabei. In der Tat scheint er sich ein bisschen zu wohl zu fühlen, wie er sich da in einer verwaschenen Cordhose und einem unifarbenen grauen Pullover auf dem Stuhl mir gegenüber lümmelt.
    »Freshmen-Mädels sind die einzigen, die ich nach Belieben herumschubsen kann, also muss ich das ab und zu ausnutzen.« Ich kreuze die Arme vor der Brust und lehne mich zurück. »Was genau ist denn keine große Sache? Du weißt schon, das, wovon du großzügigerweise keiner Menschenseele erzählen wirst?«
    Es ist ein gefährlicher Schachzug – ich will eigentlich gar nicht, dass er es laut ausspricht, besonders nicht hier in der Cafeteria, aber ich muss unbedingt herausbekommen, was er weiß.
    Es ist wie die erste Regel des Fight Clubs . Was immer die Frauen in meiner Familie auch tun können, wir reden nicht darüber. Noch nicht mal miteinander, wenn es nach meiner Mom geht.
    Ich weiß, wir sind nicht die Einzigen, die etwas zu verbergen haben. Jeder hat Geheimnisse, ich bin ja nicht blöd. Ich meine, in der Siebten hat es nur zwei Wochen gedauert, bis allen klar war, dass Kayla Schmidt einmal die Woche zu einem Seelenklempner ging, und nicht mit ihrem Dad zum Essen, wie sie behauptet hat. Denn sie wog keine vierzig Kilo mehr und verbrachte die Mittagspausen damit, an einer Selleriestange zu knabbern.
    Und beinah jeder weiß, dass Janine French bloß mit drei Jungs geschlafen hat, aber es ist einfacher so zu tun, als hüpfte sie regelmäßig mit dem ganzen Footballteam ins Bett, denn auf diese Weise ist sie die Schlampe vom Dienst. Es ist ebenfalls einfacher, so zu tun, als wüsste niemand, dass Peter Brannigans Dad seine Mom schlägt, denn auf diese Weise bleiben uns allen peinliche Gespräche und das Gefühl erspart, man müsste etwas tun, um zu helfen.
    Also ja, jeder hat etwas zu verbergen, und manchmal sind es Dinge von der Sorte, die man nur mit einer Therapie in den Griff bekommt, und manchmal ist es bloß belanglos wie ein Rücken voller Akne. Aber soweit ich weiß, eröffnet deswegen niemand die Jagd auf dich oder verbrennt dich auf einem Scheiterhaufen.
    Okay, das ist ein wenig übertrieben, ich weiß, aber ich habe meinen toten Freund zum

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