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Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Titel: Deine Lippen, so kalt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Garvey
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falsch an, so falsch wie die kalte Blässe von Dannys Haut unter meinen Fingern, so falsch wie der widerlich starke stechende Schmerz in meiner Handfläche, als ich sie mit dem Athame aufschlitzte.
    Du bist falsch , flüstert die Stimme kalt und züngelnd in meinem Kopf. Falsch von Kopf bis Fuß.
    Ich kann nicht aufhören zu zittern. Ich fummle das Handy aus meiner Tasche und wähle Gabriels Nummer.
    Es klingelt dreimal, bevor er rangeht, und ich schneide ihm sofort das verschlafen gemurmelte Hallo ab.
    »Er ist weg. Er ist weg . Ich laufe rum und kann ihn nicht finden, und ich weiß nicht, wo er ist, und was ist, wenn er etwas anstellt, Gabriel, er hat all diese Bilder gemalt und …«
    »Langsam, langsam , Wren, beruhige dich.«
    Das kann ich nicht, nicht sofort – die Worte purzeln aus meinem Mund, unzusammenhängend und atemlos, bis Gabriel mich beinah anschreit: »Wren, stopp. Bleib einfach, wo du bist, okay? Ich bin unterwegs.«
    Es ist nach zwei, als Gabriel auf mich zurennt. Ich stolpere sofort in seine Arme und vergrabe mein Gesicht an seiner Brust, atme seine Wärme ein.
    »Hey.« Er rubbelt meinen Rücken, als er merkt, wie ich zittere. »Du bist ja halb erfroren.«
    Das bin ich, aber es spielt keine Rolle. Ich befreie mich aus seiner Umarmung und trete einen Schritt zurück. »Wir müssen ihn finden, komm schon.«
    »Wren, du bist der reinste Eiswürfel. Wärm dich erst mal auf und erzähl mir alles, einverstanden? Langsam.« Er neigt den Kopf, um mir in die Augen zu sehen.
    »Ich hab es dir doch schon gesagt! Er ist weg, Gabriel, und wir sind noch Blocks von seinem Haus entfernt und …«
    »Du bekommst das mit dem Langsam noch nicht so richtig hin«, sagt er und zieht mich wieder an sich. »Nimm wenigstens meine Jacke.«
    Inzwischen muss die Temperatur wirklich nahe dem Gefrierpunkt sein, das Gras glänzt schimmernd von weißem Raureif umhüllt und die Sterne sind eisblau. Ich lasse ihn den ausgeblichenen Parker um meine Schultern legen, aber es fällt mir schwer, nicht einfach loszusprinten und ihn hinter mir herzuzerren. Ich bin immer noch zappelig, Echos der Energieexplosion von vorhin branden in mir auf, und ich spüre, wie uns die Zeit davonläuft. Jede einzelne Sekunde bedeutet eine weitere Chance, dass jemand Danny gesehen hat – weiß wie Schnee und nicht von dieser Welt.
    Nein. Ich schlucke die Galle hinunter, die erneut in mir aufsteigt. »Komm, los«, sage ich und packe seinen Ellbogen.
    Gabriel blinzelt irritiert. »Warte. Erzähl mir, wo du überall gesucht hast, was du glaubst, wo er sein könnte.«
    »Während wir gehen«, beharre ich, und die feuchte Wärme meiner Tränen benetzt meine Wangen. »Komm schon. Hilfst du mir jetzt, oder nicht?«
    »Wren«, sagt er und redet so beherrscht und sachlich mit mir, als wäre ich verrückt geworden, als müsste er behutsam sein, damit ich nicht plötzlich auf ihn losgehe.
    Wahrscheinlich liegt er damit nicht mal falsch.
    »Du musst dich beruhigen. Ich kann die Energie in dir spüren, und sie ist wie ein Feuerwerk, das darauf wartet, abgefackelt zu werden.« Er kommt langsam auf mich zu, nimmt die Hand, die ich noch immer ausgestreckt halte, und schließt seine Finger darum.
    Ich nicke und wische mir mit der freien Hand die Tränen ab. Beruhigen. Das schaffe ich.
    Wir sind schon ein ganzes Stück weiter, als er zusammenzuckt und mir einen Blick von der Seite zuwirft. »Ein Eichhörnchen, hm?«
    Als Antwort bekommt er meinen Ellbogen in die Rippen und ich fühle mich kein bisschen schuldig dabei.
    Ich hatte wirklich gedacht, er wäre hier.
    Wir stehen gegenüber von Dannys Haus, inzwischen ist es beinah drei. Der Himmel wird langsam heller und verliert an Schwärze, aber die Straßen schlafen noch.
    Das Haus der Greers ist für die Nacht verriegelt, die Vorhänge sind vorgezogen und die Türen verschlossen, und in der heraufziehenden Dämmerung sieht es traurig aus. Als hätte es in den letzten paar Monaten ebenfalls vor sich hingedämmert. Sogar der Garten wirkt verwahrlost in seinem nackten Herbstkleid.
    Gabriel legt seinen Arm um mich, aber ich schüttle ihn ab. Ich weiß, das ist falsch – es ist mitten in der Nacht und er ist hier, um mir zu helfen, aber mit dem Arm eines anderen Jungen um die Schulter gegenüber von Dannys Haus zu stehen, ist auch falsch. Mehr falsch, und ich kann mich nicht mal erinnern, ob man das so sagt, aber deswegen stimmt es trotzdem.
    »Hier hätte ich auch zuerst gesucht«, sagt Gabriel, und obwohl seine Stimme ein

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