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Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Titel: Deine Lippen, so kalt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Garvey
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Idee dunkler. Sie ist nicht so groß wie er, aber größer als ich, und die Besorgnis hat sich bereits in ihre Mundwinkel gegraben.
    Ich schätze, das ist besser als Misstrauen.
    »Ich bin Wren«, sage ich überflüssigerweise, und sie nickt.
    »Komm rein.«
    Ihr Haar ist oben auf dem Kopf zu einem lockeren Knoten geschlungen und sie trägt noch immer ihre verwaschene Schlafanzughose und ein rosa Yoga ist Leben -T-Shirt. Als sie die Tür hinter mir geschlossen hat, lehnt sie sich dagegen und kreuzt die Arme vor der Brust.
    »Du weißt hoffentlich, wie man fährt, oder?«
    Theoretisch, wäre vermutlich die korrekte Antwort auf diese Frage, aber Gabriel hat mir versichert, sie verfüge nicht über seine Gabe.
    Ich bringe jedoch kein Wort heraus, also nicke ich nur. Sie betrachtet mich eine lange Minute prüfend, die Stirn gerunzelt vor Sorge. Sie sieht nett aus, ziemlich cool, aber es muss ein bisschen seltsam sein, wenn du morgens um Viertel nach sieben einen Anruf von deinem kleinen Bruder bekommst, der dir sagt, irgendein Mädchen werde vorbeikommen, um dein Auto auszuleihen.
    »Ich weiß nicht«, sagt sie schließlich und stößt sich von der Tür ab, um quer durch den Raum auf mich zuzugehen. »Du siehst aus, als stündest du kurz vor dem Herzinfarkt, Gabriel klingt, als sei er von einem Laster überfahren worden, und irgendjemand muss mir langsam mal erklären, was zum Teufel hier eigentlich los ist.«
    »Ich weiß.« Es ist ein gebrochenes Flüstern, und falls sie noch einen Beweis gebraucht hat, wie blank meine Nerven liegen, hat sie ihn jetzt.
    »Aber er erzählt von dir.« Ihr Gesichtsausdruck wird weicher, als sie das sagt, sie lächelt beinah und streckt die Hand aus, um mir das Haar aus den Augen zu streichen und den Schirm der grünen Strickmütze zu richten, die ich mir übergezogen habe. »Und ich vertraue ihm. Das muss ich. Er hat gesagt, es wäre besser, wenn du allein kommst, also …«
    Ich atme zitternd aus, als sie an mir vorbeigeht und in einer großen braunen Ledertasche kramt, aus der sie die Schlüssel zieht. Sie lässt sie vor meiner Nase baumeln und zuckt mit den Schultern. »Bau keinen Unfall damit, okay? Ich hasse Fahrradfahren.«
    Ich bin schon Auto gefahren – ich meine, so richtig, auf der Straße, nicht nur einmal den Motor starten und es fünf Meter über die Einfahrt rollen lassen. Und zwar genau zweimal. An einem ruhigen Sonntagnachmittag im Frühsommer und an einem Dienstag ein paar Tage später zur Abendbrotzeit. Es ist Monate her, meine Mom saß auf dem Beifahrersitz und erinnerte mich ruhig daran, in den Rückspiegel zu gucken und vorsichtig auf die Bremse zu treten.
    Jetzt haben wir Freitagmorgen, eine der geschäftigsten Zeiten des Tages, wo alle auf dem Weg zur Arbeit oder Schule sind. Und ich muss die kleine blaue Rostlaube, die Olivia gehört, ganz allein einmal quer durch die Stadt steuern. Allein den Motor anzulassen reicht aus, um mich in Panik zu versetzen, denn das Auto grollt, als hätte ich es getreten, und springt dann rüttelnd an.
    Perfekt.
    Aber ich kann mir nicht erlauben, nervös zu sein. Und auf keinen Fall darf ich zulassen, dass meine Kräfte mir beim Fahren in die Quere kommen, obwohl es echt knapp ist, als ich auf die Straße biege, und der Wagen praktisch einen Satz nach vorn macht wie ein ungezogener Hund, der sich gegen die Leine sträubt. Das ganze Ding scheint zu vibrieren und ich habe keine Ahnung, ob das normal ist (für dieses Auto zumindest), oder ob es daran liegt, dass mein Kopf vor Nervosität und ungebändigter Energie zu zerspringen droht.
    Ich mache noch nicht mal das Radio an, als ich Richtung Innenstadt fahre und sie durchquere. Ich bemühe mich, nicht zu schnell oder zu langsam zu fahren, und warte einmal so lange an einem Stoppschild, dass der Mann im Wagen hinter mir auf die Hupe drückt. Während ich ruckelnd auf die Kreuzung fahre, fällt mir auf, dass ich »ein- und ausatmen, ein- und ausatmen« vor mich hin singe wie eine bescheuerte Platte mit Sprung.
    Am Ende brauche ich neunzehn Minuten länger als nötig bis zum Parkeingang, wäre dabei zweimal fast mit parkenden Autos kollidiert und musste durch einen höllisch verwirrenden Kreisverkehr fahren, wo mir eine alte Frau in einem Subaru den Mittelfinger gezeigt hat, woraufhin ich allen Ernstes in Tränen ausgebrochen bin. Außerdem war ich gezwungen, einmal so fest auf die Bremse zu treten, dass ich mir beinah den Kopf an der Windschutzscheibe gestoßen hätte. Als ich endlich aus

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