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Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Titel: Deine Lippen, so kalt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Garvey
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reden und mitten in die Verwirrung und den Horror in seinem Gesicht blicken muss, in dieses vertraute Gesicht mit den sanften Augen, das nie etwas anderes getan hat, als mich anzulächeln. So sehr ich mich danach sehne, hier sitzen zu bleiben, gehüllt in die Stille dieses frostigen, zerbrechlichen Morgens – ich kann es nicht länger hinausschieben. Und wie sich herausstellt, muss ich das auch gar nicht.
    Als ich meinen Kopf jenem furchtbaren Baum zuwende, starrt Danny mich direkt an.
    »Wir hatten einen Unfall.«
    Danny wiederholt es immer wieder und ich weiß nicht, wen von uns beiden er zu überzeugen versucht. Ich bin diejenige, die jetzt gegen den Stamm gepresst dasteht, seine riesigen Hände liegen beängstigend eisern auf meinen Schultern.
    Aus dem Augenwinkel sehe ich Gabriel neben dem Schuppen auf- und abtigern, die Hände zu nutzlosen Fäusten geballt. Ich habe ihm befohlen, zu bleiben, wo er ist, als ich auf Danny zugerannt bin, der schneller auf den Beinen war und mir entgegenkam, als ich es für möglich gehalten hätte.
    Ich will, dass Danny das mit mir regelt, nicht mit Gabriel. Ich will auf keinen Fall, dass Gabriel irgendetwas davon regeln muss, auch wenn es für diesen Wunsch mehr als zu spät ist.
    »Den hattet ihr.« Die Worte kommen erstickt heraus, aber mir fällt nicht ein, was ich sonst sagen könnte. Sie hatten einen Unfall, und ich war so dumm, so unfassbar krank und dumm zu glauben, ich könnte so tun, als wäre er nicht passiert.
    »Einen Unfall, Wren.« Er schüttelt mich und ich kann Gabriel beinahe körperlich spüren, nur wenige Meter entfernt – wie der Drang loszustürmen in ihm brodelt. »Einen Autounfall.«
    »Ich weiß«, flüstere ich und hebe den Blick zu ihm auf, um ihn dazu zu bringen, mich wahrzunehmen. Er sieht mich direkt an, aber wenn ich nicht genau wüsste, dass es verrückt, ja unmöglich ist, würde ich glauben, er sähe nur, wie die Straße unter ihnen davonschleuderte und der breite Stamm des Baumes, der hinter uns aufragt, näherkam.
    »Wren.« Er schluckt, schüttelt verwirrt den Kopf, und einen Moment lockert sich der Griff seiner Hände. Seine Augen sind grauenvoll, zu dunkel und so glasig, dass sie nicht länger real wirken. »Wren, bin ich gestorben ?«
    Oh Gott.
    Ich befreie mich von seinen Fingern und schlinge die Arme um seine Taille, klammere mich an ihm fest.
    Verberge mein Gesicht an seiner Brust.
    Und in Wahrheit? Verstecke ich mich nur.
    »Wren.« Er hält mich nicht mal, seine Arme sind zur Seite ausgestreckt, als könne er es in diesem Moment nicht ertragen, mich zu berühren.
    Es tut furchtbar weh. Der Klang seiner Stimme, die zitternde Anspannung in jedem Muskel, die sich so von dem kühlen Marmor unterscheidet, nach dem er sich normalerweise anfühlt.
    Aber ich kann mich nicht rühren. Wenn ich ihn loslasse, was dann?
    Ich glaube immer noch nicht, dass er mir wehtun würde, nicht körperlich jedenfalls. Aber wenn ich ihn loslasse, muss ich ihn wieder ansehen und mir ernsthaft eingestehen, was ich getan habe.
    Der Tatsache ins Auge sehen, dass es ihm besser ging, wo immer er war, bevor ich mich auf den Friedhof stahl – bis ins Mark verwundet, sodass all meine selbstsüchtigen Bedürfnisse in sein Grab strömten.
    Es muss ihm besser gegangen sein. Ich weiß nicht, was ich über Gott oder den Himmel oder die Hölle glaube, aber falls es einen Himmel gibt, weiß ich, dass Danny dort war. Er war durch und durch gut, ein Junge, der seine Mutter küsste, bevor er am Morgen in die Schule ging, und lustige Bildchen für die kleine Schwester seiner Freundin malte, nur damit sie lachte.
    Ein Junge, der seiner Freundin freigiebig alles schenkte, was er zu geben hatte. Der mir alles schenkte. Sich langsam zu einem Grinsen verziehende Mundwinkel auf dem Gang zwischen den Unterrichtsstunden, lange Hand-in-Hand-Spaziergänge an stürmischen Nachmittagen, eine Stimme in der Dunkelheit, wenn mir etwas Kummer bereitete, absurde, hinreißende Träume über Rockstarruhm und Comic-Superhelden. Seine Küsse, seine Hände, seine langen Beine, eine völlig neue Welt, die wir gemeinsam entwerfen konnten.
    Und was war mein Geschenk an ihn? Ein Halbleben auf dem Dachboden einer verdreckten Garage und ein Mädchen, das keinen Gedanken daran verschwendete, wem es damit vielleicht wehtun könnte, bevor es die Hand ausstreckte und sich einfach nahm, was es wollte.
    »Wren.« Er zwängt seine Finger zwischen seinen Körper und meine Arme und schält mich mit einem Grollen von

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