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Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Titel: Deine Lippen, so kalt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Garvey
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die Schlüssel. Er ist ebenfalls bleich, hat sich in sich zurückgezogen wie eine Schildkröte, und ich schaffe so gerade ein Nicken, als ich aussteige und zu ihm auf die andere Seite des Wagens gehe.
    Es ist genauso unangenehm und schrecklich, Danny aus dem Auto zu bekommen, wie es war, ihn dort hineinzumanövrieren – ein schlaffer Arm klatscht gegen die offene Tür, sein Kopf verpasst nur knapp das Dach. Gabriel ist groß, aber er ist schlank, und Danny ist genauso groß – vielleicht wäre es lustig, mit anzusehen, wie Gabriel sich Danny auf die Schulter hievt, wenn er betrunken wäre, aber so? Es ist furchtbar und erinnert nur aufs Neue daran, dass der Junge, den Gabriel wie ein Stück Gepäck ins Haus und die Treppe hinaufträgt, tot ist.
    Olivia öffnet die Tür des Appartements, bevor ich den Schlüssel zücken kann. »Ich habe das Auto gehört«, sagt sie und weicht zurück, als Gabriel sich über die Schwelle müht und sofort auf sein Zimmer zusteuert.
    Was bedeutet, dass ich nun Olivia gegenüberstehe, die ohne Zweifel ein wenig erschrocken über die Fracht ist, die ihr Bruder ins Haus trägt.
    »Ist mit ihm alles okay?«, fragt sie und verdreht den Hals, um zu beobachten, wie Gabriel Danny mehr oder weniger auf sein Bett wirft.
    »Nicht wirklich.« Und, hey, das ist die Untertreibung des Jahrtausends, aber ich bin so erledigt und habe solche Schmerzen, dass ich mich wundere, überhaupt noch Worte bilden zu können.
    In meiner Hosentasche klingelt mein Handy. Das hat es in der letzten halben Stunde regelmäßig getan. Ich weiß, es ist meine Mom. Die Schule wird bei ihr angerufen haben, als ich nicht zum Anwesenheitscheck erschienen bin, aber im Moment schaffe ich es nicht mal, darüber nachzudenken dranzugehen.
    Im Moment schaffe ich es nicht mal zu denken, Punkt. Mein Gehirn befindet sich in einem Leerlauf, der mit jeder Minute holpriger wird, und ist kurz davor, den Geist aufzugeben und einfach stehen zu bleiben. Und während Olivia mich stirnrunzelnd ansieht, wird mir klar, dass mein Magen zuerst einen Kurzschluss haben wird.
    Ich bin nicht sicher, wo das Bad ist, aber ich stürze in die Richtung der Schlafzimmer und sehe eine offene Tür, hinter der alte weiße Kacheln und ein hohes Waschbecken zum Vorschein kommen. Ich schaffe es bis dahin und krümme mich, würge ich weiß nicht mal was hervor. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal etwas gegessen habe.
    Ich bin fast fertig, als ich den leichten Druck einer Hand auf meiner Schulter spüre, den Kopf hebe und sehe, dass es Olivia ist. Sie streicht mir die verschwitzten Fransen meines Ponys aus der Stirn und klappt den Toilettendeckel runter, damit ich mich daraufsetzen kann. Ich vibriere wie die Saite einer E-Gitarre und mein Kopf schreit mich immer noch an, mit heißer roter Wut.
    Ich schließe die Augen, obwohl ich Gabriels Schritte höre und das Knarren der Tür, als er sich dagegen lehnt. Das Wasser läuft, und als Nächstes spüre ich, wie ein kühler Waschlappen sanft über meine Stirn und meine Wangen fährt. Olivia nimmt meine Hände und reibt mit dem Lappen über beide Handgelenke, und das fühlt sich so gut an, dass ich laut seufze.
    »Du musst dich hinlegen, Kleine.« Olivia neigt meinen Kopf sanft nach vorn und legt den Waschlappen in meinen Nacken. »Meinst du, du kannst aufstehen?«
    Ich öffne die Augen und nicke, und Gabriel weicht zur Seite, während Olivia mir auf die Beine hilft und mich Richtung Tür lenkt. Mein Handy klingelt erneut, und als ich auf dem Sofa zusammensacke, ziehe ich es aus der Hosentasche und schleudere es quer durch das Zimmer. Es landet irgendwo mit einem dumpfen Knall. Olivia zuckt zusammen.
    »Lässt du uns eine Minute allein?«, fragt Gabriel ruhig. Ich halte den Blick auf die verdreckten Knie meiner Jeans gerichtet, damit ich den Blick nicht sehen muss, den die beiden jetzt bestimmt wechseln.
    »Ich muss wissen, was hier los ist, Leute, und zwar bald«, sagt Olivia, und obgleich ihre Stimme scharf klingt, ist ihre Hand, die auf meinem Haar ruht, so sanft wie vorhin im Badezimmer. »Ich schätze mal, es erübrigt sich, die 911 für den Jungen in Gabriels Zimmer zu wählen?«
    »Ja.« Es ist kaum mehr als ein Krächzen, aber das ist alles, wozu ich im Moment imstande bin.
    Gabriel setzt sich neben mich. Nach einem Moment des Schweigens, der sich so lang dehnt, bis ich beinah hören kann, wie er zerreißt, nickt Olivia, geht in ihr Zimmer und schließt die Tür hinter sich.
    »Ich kann nicht«,

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