Deine Lippen, so kalt (German Edition)
dem Wagen steige, möchte ich mich nur noch zu Boden fallen lassen und das Bewusstsein verlieren.
Aber ich muss nach wie vor Danny finden, und so ziehe ich das Handy aus meiner Hosentasche, um Gabriel anzurufen, während ich gleichzeitig losrenne und über den breiten, geteerten Radweg sprinte.
»Ich bin da«, keuche ich auf dem Weg in den Park hinein. Er ist menschenleer, da es zu spät für die meisten Jogger ist und zu weit vom Spielplatz entfernt für die Mütter mit kleinen Kindern. Der Baum, mit dem Beckers Auto kollidiert ist, steht hinter dem See.
»Mach langsamer.« Gabriels Stimme ist angespannt und leise. »Er hat sich beruhigt, aber du solltest ihn wahrscheinlich besser nicht erschrecken. Im Moment sitzt er mit dem Rücken an den Baum gelehnt und ich bin hinter dem Schuppen zu deiner Linken. Scheiße, deiner Rechten. Ist ja auch egal.«
Da ist nur ein Schuppen, aber Gabriel klingt allmählich genauso stoned vor Erschöpfung wie ich, also lege ich auf und wechsle in einen zügigen Schritt. Als ich um die scharfe Kurve biege, der auch die Straße folgt, entdecke ich den Baum, bevor ich Danny sehe. Er ist schwer zu verfehlen, er ragt wie ein gigantischer Splitter in den Himmel, der Stamm ist gespalten.
Danny sitzt mit dem Rücken zum Baumstamm, aber sein Gesicht ist nicht mir, sondern der Straße zugewandt. Seine langen Beine hat er achtlos im Dreck gespreizt, und seine Hände ruhen mit nach oben gewandten Handflächen auf dem Boden, als warte er darauf, dass ihm jemand etwas gibt.
Eine Erklärung, denke ich und schaudere ein wenig, als ich über das Gras auf den ungefähr acht Meter entfernten Schuppen zuschleiche.
Gabriel sinkt zurück gegen die Verkleidung aus dickem Vinyl, als ich an der uneinsehbaren Seite um die Ecke komme. »Hey, noch alles dran an dir?«
»Mehr oder weniger«, sage ich und krieche um ihn herum, um Danny zu beobachten, der sich nicht bewegt hat.
Es gibt tausend Dinge, die ich jetzt sagen könnte, höchstwahrscheinlich sagen sollte, aber als ich mich auf die Fersen zurücksetze und Dannys regungsloses Profil anstarre, das aussieht wie gemeißelt, fällt mir kein einziges ein. Die Erleichterung ist ein brennender, intensiver Geschmack in meinem Mund, doch die Furcht überlagert ihn. Wenn ich noch nicht mal weiß, was ich zu Gabriel sagen soll, wie kann ich mich da Danny nähern, geschweige denn, ihn ansprechen?
Aber das muss ich. Ich muss ihn hier wegbringen und in das Auto und dann … na ja, so weit habe ich noch nicht gedacht, aber das spielt auch keine Rolle. Der Punkt ist, er kann nicht hierbleiben, selbst wenn mir jetzt erst dämmert, dass es unmöglich sein wird, ihn in Mrs Petrellis Garage zu schaffen, ohne dabei gesehen zu werden. Das Haus steht in einer Gegend, in der viele Familien mit Kleinkindern wohnen, die oft draußen sind und in winzigen kleinen Jacken in den Gärten rumrennen, während die Mütter auf der Veranda sitzen und Kaffee trinken. Genauso wenig kann ich riskieren, ihn meine Straße entlangzuführen und mich mit ihm durch den Garten zu schlagen, denn ich weiß nicht, ob Mom vielleicht nach Hause gegangen ist, nachdem die Schule sie informiert hat, dass ich nicht zum Unterricht erschienen bin.
»Er ist seit einiger Zeit still«, sagt Gabriel so leise, dass ich den Kopf drehen muss, um alles zu verstehen.
Die Haut unter seinen Augen schillert bläulich und sein Gesicht hat jegliche Farbe verloren. Ich beginne, die Linie seines Wangenknochens mit dem Finger nachzufahren, ziehe ihn aber zurück, als hätte ich mich verbrannt, als mir einfällt, warum wir hier sind, wer da am Fuße des Baumes sitzt. Alles fühlt sich plötzlich an, als wäre es im Begriff, sich zu ändern, die gelebten Momente fließen ineinander wie Wasserfarben.
»Er war immer noch relativ panisch, als ich ihn gefunden habe«, flüstert Gabriel. »Ich weiß allerdings nicht, wie lange er schon hier gewesen ist.«
Ich nicke und lasse mir einen Moment Zeit, bevor ich aufstehe. Es macht mich krank, dass ich Angst davor habe, Danny gegenüberzutreten, wo er doch die sicherste, beste Sache in meinem Leben war. Der warme Ort, an dem ich mich verkriechen konnte, die starke Hand, die immer bereit war, die meine zu halten, der beständige Puls in meinem Blut.
Die eine Person, der wehzutun unvorstellbar für mich war.
Es ist helllichter Tag, und obwohl es mehr als seltsam wäre, wenn Dannys Mom oder Ryan hier auftauchen würden, muss ich ihn hier wegbringen. Was heißt, dass ich mit ihm
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