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Deine Schritte im Sand

Deine Schritte im Sand

Titel: Deine Schritte im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Dauphine Julliand
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auch Azylis schon mehrfach ins Krankenhaus gefahren. Der Fahrer ist derselbe, der Thaïs bei ihrer furchtbaren Schmerzattacke in die Klinik gebracht hat. Ich bin ganz sicher, dass sie meine kleine Prinzessin mit Glacéhandschuhen anfassen werden.
    Es ist nicht ganz einfach, Thaïs in den Krankenwagen zu bringen. Lageveränderungen verträgt sie nicht gut. Jede Bewegung bereitet ihr Qualen. Doch die Besatzung des Krankenwagens hat Vorsorge getroffen. Die Männer haben eine Vakuummatratze mitgebracht, die sich, nachdem die Luft abgesaugt ist, perfekt an den Körper von Thaïs anpasst und ihn stützt. Loïc beobachtet unruhig jeden Handgriff und wiederholt ständig: »Vorsicht, passen Sie doch auf. Bitte, gehen Sie vorsichtig mit ihr um.« Thaïs verkrampft sich zunächst und verzieht das Gesicht, doch als sie sicher auf der Matratze liegt, entspannt sie sich sofort. Die Leute vom Krankentransport kennen sich bestens aus und bewegen sich langsam und sanft auf den Wagen zu. Vorsichtig betten sie Thaïs auf eine spezielle Liege. Wie es scheint, ist das Schwierigste geschafft. Wir können fahren.
    Ich sitze vorn neben dem Fahrer. Der Pfleger bleibt hinten bei Thaïs, schließt die Geräte an und überwacht ihre Körperfunktionen. Loïc fährt mit Gaspard und Azylis in unserem bis obenhin vollgepackten Auto voraus. Ich wünsche mir, die Fahrt wäre bereits vorüber und der Tag vorbei. Hinten stöhnt Thaïs und jammert leise. Ihre Augen sind weit geöffnet und rollen hin und her. Sie hat Angst, ihr Zimmer und die bekannte Umgebung zu verlassen. Doch der Sanitäter benimmt sich wie ein ausgemachter Kavalier, hält die Hand der kleinen Dame, streichelt ihr sanft über die Haare und summt ein Wiegenlied. Schließlich schläft Thaïs ein.
    Kilometer huschen vorbei; die Reise verläuft ruhig. Wir sind nicht mehr weit vom Ziel entfernt. Ich bin gerade ein wenig eingedöst, als der Krankenwagen plötzlich mit kreischenden Reifen zum Stillstand kommt. Der Fahrer flucht. Zwei Autos vor uns ist ein Fahrzeug von der Straße abgekommen, hat sich überschlagen und ist neben der Straße liegengeblieben. Unser Fahrer lenkt den Wagen sofort an die Seite. Sein Kollege springt aus dem Fond. Er läuft zur Unfallstelle und erfasst die Situation mit einem Blick. Der Frau, die am Steuer des Unfallfahrzeugs saß, geht es sehr schlecht. Der Sanitäter ruft unserem Fahrer zu, er solle eine der für Thaïs vorgesehenen Sauerstoffflaschen bringen. Ohne Hektik greift der Mann nach dem Sauerstoff, nimmt einen Erste-Hilfe-Koffer mit und läuft ebenfalls zur Unfallstelle.
    Ich gehe nach hinten und setze mich neben Thaïs. Sie ist aufgewacht und scheint nicht zu wissen, wo sie ist. In ihren Augen flackert Panik. Auch ich habe Angst. Ich starre auf ihre furchtsam erweiterten Pupillen, um nicht nach draußen sehen zu müssen. Lange Minuten vergehen. Ich höre einen Notarztwagen mit Blaulicht und schriller Sirene ankommen. Einer unserer Sanitäter stürmt auf den Notarzt zu, beschreibt mit knappen, präzisen Worten die Situation und welche Erste-Hilfe-Maßnahmen er bereits ausgeführt hat. Die Erstversorgung war lebenswichtig: Er hat einen Druckverband um den abgetrennten Arm der Frau gelegt, sie beatmet und bei Bewusstsein gehalten. Vielleicht hat er sie gerettet. Nur Minuten später kommen unsere beiden Begleiter sichtlich betroffen zum Krankenwagen zurück. Einer der Sanitäter aus dem Notarztwagen hält sie kurz auf.
    »Danke, dass Sie so schnell und besonnen reagiert haben. Ohne Sie hätte die Frau keine Chance gehabt.«
    »Wir haben nur unsere Pflicht getan. Es war ein glücklicher Zufall, dass wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren und auch die nötige Ausrüstung dabeihatten. Vielleicht sollten wir uns bei dem kleinen Mädchen bedanken, das hinten in unserem Krankenwagen liegt. Ohne sie wären wir nicht hier.«
    Das Dröhnen des Rettungshubschraubers übertönt die Antwort des Sanitäters. Ärzte und Helfer drängen sich um das Opfer. Wir werden nicht länger gebraucht. Außerdem müssen wir weiterfahren, um die Reise für Thaïs nicht unzumutbar zu verlängern. Wortlos setzen wir die Fahrt fort. Innerhalb weniger Minuten ist eine Veränderung eingetreten, die uns schweigend zusammenschweißt. Ein Leben konnte gerettet werden, weil wir uns zur richtigen Zeit am richtigen Ort befanden.

L ES VALLETS. DAS IDEALE FAMILIENHAUS . Das Haus meiner Eltern und meiner Kindheit. Das Haus mit den fröhlichen, quirligen Tafelrunden, einem bunten,

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