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Deine Seele in mir /

Deine Seele in mir /

Titel: Deine Seele in mir / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Ernst
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ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, gar nichts. Wie könnte es auch anders sein?
    »Du? Aber … du hast doch eben noch gesagt, das wäre Amy. Woher kanntest du sie denn? Bist du nicht viel zu jung, um sie überhaupt gekannt zu haben?«
    »Ja, ich bin nur ein paar Monate älter als du. Das heißt, dieser Körper ist so alt. Ich … also … meine Seele ist fast zehn Jahre älter als du.«
    Elena schüttelt den Kopf und lässt sich auf der Armlehne der Couch nieder. Ich greife nach Amys Hand und bedeute ihr mit einem kurzen, tiefen Blick, dass ich eine Idee habe. »Elena, Julie war eine Autistin, sagt dir das was?«
    Sie nickt, und ich hole – in Erwartung meines längeren Monologs – tief Luft. Auch ihr erzähle ich nun von meiner ersten Begegnung mit einer weltentrückten Julie, von ihrem Klavierspiel und ihrem Gemälde. Lena lauscht regungslos. Ihrem Gesichtsausdruck kann ich nicht entnehmen, was sie denkt und ob sie mir glaubt.
    »… Von dem Moment an, als ich Julie mein Wissen darüber signalisierte, dass sie eigentlich Amy ist, löste sie sich aus ihrer Starre und kam langsam ins echte Leben zurück. Julie ist Amy, Elena! Sie ist deine Schwester, so verrückt das auch klingen mag. Und genau
das
erklärt auch all die Auffälligkeiten dieses Abends, denk mal für einen Augenblick darüber nach.«
    Kein Schrei, kein »Ihr seid doch verrückt!«, nichts. Schweigen. Unendlich lang, wie es uns vorkommt.
    Elena ist noch immer sehr blass. Ihr Blick ist nun auf Amy fixiert.
    »Wie kann das sein?«, fragt sie schließlich.
    »Wenn man stirbt, dann wird die Seele frei«, erklärt Amy geduldig. »Man wird wiedergeboren, und die alten Erinnerungen werden gelöscht, nehme ich an. Bei mir … lief etwas schief. Ich behielt mein altes Bewusstsein und nahm es mit in meinen neuen Körper, was es mir unmöglich machte, unbelastet ein neues Leben zu beginnen.«
    Elena nickt, sieht jedoch alles andere als überzeugt aus.
    »Das ist völlig verrückt!«, sagt sie schließlich entschlossen. »Ich habe keine Ahnung, was ich davon halten soll. Jeder, dem ich davon erzählen würde, würde mich sofort für bescheuert erklären.«
    Evelyn ergreift das Wort. »Und genau
das
ist der Grund dafür, warum eure Geschwister nichts erfahren sollen. Noch nicht! Stell dir vor, sie verplappern sich in der Schule, verstehst du, Lena?«
    Elena nickt erneut. »
Eure
Geschwister …«, wiederholt sie flüsternd, den Blick noch immer mit Amys verschmolzen, und schüttelt dabei ungläubig den Kopf.
    »Das ist verrückt! Mein Leben lang wollte ich Amy kennenlernen. Ich wollte sie bei mir haben, nur für einen Tag, das war mein sehnlichster Wunsch. Und jetzt behauptet ihr so etwas? Wie kann ich das glauben?«
    Amy erwidert den Blick ihrer Schwester mit zusammengepressten Lippen, die von Mitleid und Verständnis zeugen. Das Grün ihrer Augen wirkt noch sanfter und wärmer als sonst.
    »Wie stellt ihr euch das überhaupt vor?«, fragt Lena schließlich. »Sam und Jenny sind doch nicht blöd. Irgendwann verplappert ihr euch und nennt Julie bei ihrem alten Namen. Und dann?
    Wisst ihr, wie schwierig es wird, den beiden das vorzuenthalten? Abgesehen davon, dass es unglaublich unfair ist?«
    Amy schlägt sich mit beiden Händen flach auf die Oberschenkel. »Ha! Meine Rede, seht ihr!«, ruft sie uns triumphierend zu. Dann wendet sie sich erneut ihrer Schwester zu. »Aber vergiss es, sie lassen keine Argumente gelten. Dabei ist das Blödsinn, bei allem Respekt. Sam ist mit Sicherheit so weit, dass er es für sich behält, und Jenny …«
    Elena nickt eifrig und fährt Amy einfach über den Mund. »Wenn sich Jenny verplappert, dann hat sie einen Kinderbonus. Wir sagen, sie vermisst ihre große Schwester einfach zu sehr und kommt nicht damit klar, was ihr zugestoßen ist.«
    »Jenny wirkt ziemlich clever und auch schlagfertig auf mich …«
    »Ist sie auch! Und vernünftig. Sie könnte das mit Sicherheit besser handhaben, als ihr es ihr zutraut«, beschließt Elena dieses leidenschaftlich vorgetragene Plädoyer. Es folgt nur noch ein halb bettelndes, halb ungeduldiges: »Kommt schon ...«, aus beiden Mündern, in einem Einklang, der perfekter nicht sein könnte. Dann schauen Amy und Elena mit großen Augen zwischen Peter und Evelyn hin und her. Fassungslos sehen wir die beiden an. Sie hatten ihre Ansichten mit exakt denselben Handbewegungen und der gleichen Mimik unterlegt.
    Die Ähnlichkeit, trotzdem sich die beiden rein äußerlich nicht im Geringsten

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