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Deine Seele in mir /

Deine Seele in mir /

Titel: Deine Seele in mir / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Ernst
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möchte wirklich wieder frei sein.
    Frei von meinen Ängsten und all den Verklemmungen, frei von negativen Gedanken und … ach, einfach nur frei eben.
    Wieder wende ich mich ab, doch dieses Mal schließe ich die Augen.
    Tief atme ich die klare Luft ein, die an keinem anderen Ort der Welt so riecht wie hier. Ich höre das Kreischen des Raubvogels über uns und seinen starken Flügelschlag. Ich spüre den kühlen Abendwind, der uns – und nur uns – umweht und … schreie!
    Ich brülle einfach drauflos und erschrecke dabei selbst fast zu Tode. Keine Ahnung, ob die Berge mein Schreien durch ihren Widerhall noch verstärken, aber … wow! Bin wirklich
ich
das, der hier so brüllt?
    »Ha! Mach mit, das macht Spaß«, rufe ich Amy zu. Sie rümpft ihre kleine Nase; ich kenne diese Mimik von ihr so genau wie jede andere auch. Sie überlegt, hin- und hergerissen.
    Soll ich das wirklich tun? Ist schon ein bisschen peinlich, oder? Ach, verdammt noch mal, was soll’s!
    Ich weiß, welche Stimme in ihr siegen wird. Die wagemutige und positive natürlich, wie immer.
    Amy wartet noch ab, bis ich den nächsten Brüller loslasse; dann höre ich sie mit mir schreien.
    Doch ich schaue mit einer Mischung aus Amusement und Mitleid auf sie herab. »Das war absolut kläglich, Amy! Nahezu armselig. Viel, viel lauter!«
    Das wird sie nicht auf sich sitzenlassen, das steht fest.
    Aus zusammengekniffenen Augen, die erkennen lassen, dass sie die Herausforderung annimmt, funkelt sie mich an und knufft mich unsanft in die Seite.
    Ich beobachte, wie tief sie die Luft aus ihren Lungen schöpft, und dann schreit sie wirklich aus vollem Hals: »Aaah-aaah-aaah...«
    Nebeneinander stehen wir auf diesem Berg, der früher für uns so unerreichbar schien, und schreien.
    Wir jaulen wie die Wölfe, imitieren indianisches Kriegsgeheul und probieren unsere Stimmen gemeinsam in einer Art und Weise aus, wie wir es beide seit unserer Kindheit nicht mehr getan haben.
    Der Raubvogel hat sich inzwischen verzogen.
    Wir haben ihn wohl in die Flucht geschlagen – oder seine Beute vertrieben.
    Schließlich lässt sich Amy völlig außer Atem fallen. Rücklings und mit ausgebreiteten Armen liegt sie auf dem blanken Felsen. Auf meine Ellbogen gestützt, lege ich mich über sie. Wohl bedacht darauf, mein Gewicht selbst abzufangen, sehe ich sie an. Amys Brustkorb hebt und senkt sich regelmäßig; sie hat die Augen geschlossen und sieht genauso relaxt und zufrieden aus, wie auch ich mich innerlich gerade fühle.
    Er stützt sich links und rechts von mir auf und sieht glücklich auf mich herab. Jeder Fluchtweg ist mir abgeschnitten.
    Nicht, dass es mir jemals in den Kopf gekommen wäre zu fliehen, denn auf einmal ist das schelmische Funkeln aus seinem Blick verschwunden. Dafür ist die vertraute Wärme zurückgekehrt und lässt das Braun seiner Augen schmelzen. Mit nur einem Blick erkenne ich, dass die ausgelassenen Minuten nun vorbei und diesem unglaublichen Moment tiefster innerer Zufriedenheit gewichen sind.
    Matts dunkle Haare sind vom Wind zerzaust. Das Licht der untergehenden Sonne glitzert bronzefarben in den dichten Locken und tönt auch seine Wangen leicht.
    Er sieht so unfassbar schön aus. Und so befreit.
    Langsam, wie in Zeitlupe, beugt er sich hinab und fährt mit seiner Nasenspitze von meinem Kinn bis knapp unter mein Ohr, um mich dort behutsam zu liebkosen.
    Unter seinen weichen Lippen stoße ich unwillkürlich etwas Luft aus – die Reaktion ist so unausweichlich wie ein Reflex. Jedes Mal, wenn er mich berührt, verrät mein Körper mich schamlos.
    »
Hmm, wir sind ganz schön verrückt, nicht wahr?«, brumme ich und
versuche
dabei vergeblich, meinen Atemfluss unter Kontrolle zu halten. Ich spüre sein Nicken an meinem Hals; dann bewegt sich sein Mund auf meiner Haut.
    »
Ja, das sind wir. Endlich wieder. Danke Amy!«
    Am selben Abend noch führt Elena uns in eine bekannte Disco von Coeur d’Louise. Ein Event, auf den ich zugunsten eines gemütlichen Abends zu zweit locker hätte verzichten können. Amy jedoch war von dieser Idee ihrer Schwester sofort begeistert gewesen.
    »Ich war noch nie in einer Disco«, rief sie und sah mich flehend an, wohl wissend, dass ich ihr bei diesem Blick nichts ausschlagen kann.
    Und so finden wir uns nur wenige Stunden später in einer verqualmten Vorstadtdisco wieder, umgeben von einer gewaltigen Horde Fast-noch-Teenagern, die allesamt in Elenas Alter oder noch jünger sind und mir in ihrer Mitte das Gefühl geben, der

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