Deine Seele in mir /
gemacht?«, frage ich noch während des Öffnens.
Doch bereits ein Blick auf die Schuhe des Mannes, der nun direkt vor mir steht, verrät mir, dass es nicht Matt ist. Das muss Wilson sein. Langsam sehe ich auf.
Er sieht gut aus. Groß und muskulös gebaut, seine Haare sind dunkel. Ich blicke direkt in seine blauen Augen ... und erschrecke.
Seine Augen bergen etwas Beängstigendes in sich. Sie sind eiskalt. Für einen Augenblick vernebelt Verwirrung seinen Blick, doch dann scheint er mich zu erkennen.
Nein, nicht Amy – Gott sei Dank nicht! Für ihn bin ich Julie.
Sein Gesicht verzieht sich zu einem Lächeln. Er schöpft Luft aus seinen Lungen, um mich zu begrüßen.
Doch aus seinem Mund kommt nur ein grausamer Abschied.
Die Worte, die er spricht, bleiben ungehört, denn alles, was ich noch wahrnehme, ist sein Atem. Stinkend, heiß, ekelhaft …
All das Positive, was die Erlebnisse der letzten Tage in mir bewirkt und aufgebaut haben, fällt schlagartig zusammen. Als habe sein Atem ein graziles Kartenhaus getroffen.
Es ist keiner der oberflächlichen Gerüche, Tabak und eine Spur von Schnaps, der die sofortige Starre meines Körpers bewirkt. Es sind die versteckten Nuancen, die viel schmutziger sind – unbemerkt von jedem anderen Menschen – und die wohl nur ich so intensiv an ihm wahrgenommen hatte.
Einst, als er mir mit seiner groben Hand den Hals verschnürte.
Mein Geruchssinn war damals alles gewesen, was mir in meiner verzweifelten Hilflosigkeit noch geblieben war.
Durch die dunkle Maske, die er trug, hatte ich ihn nicht erkennen können, doch nun weiß ich, warum seine Augen mich geängstigt hatten. Die gepressten Geräusche, die er von sich gegeben hatte, blendete mein Gehirn in einem letzten Versuch von Selbstschutz erfolgreich aus.
Doch seinen Geruch … seinen Geruch werde ich wohl ewig in mir verankert tragen, war er doch das Letzte gewesen, was ich mit meinen hoffnungslosen Japsern eingesogen hatte.
Kranke Lust. Ich hatte sie gerochen, geschmeckt, erlitten.
Nur ein einziger Atemzug, und sie ist wieder da.
Wie ein gehorsamer Peiniger, zur Folter ausgesandt, packt und umnebelt mich sein Geruch. Als eine einzige große Pranke baut er sich vor mir auf und stößt dann zu – einer angreifenden Kobra gleich. Er greift nach meinem Hals und würgt mich. Erneut!
Atme ich noch? Ich weiß es nicht. Alles in mir ist Angst!
Wo ist Matty bloß? Ich versuche, nach ihm zu rufen, doch keiner meiner Laute dringt mehr an die Außenwelt. Ich bin allein.
Die Angst übernimmt den tödlichen Griff. Würgt mich, bis es dunkel wird. Tief dunkel. Ich erwarte, dass mein Leben erneut an mir vorbeizieht, doch nichts dergleichen geschieht.
Keine Wärme, kein erlösendes Licht. Nicht ein einziges Geräusch erreicht mich mehr. Stille, Kälte, Dunkelheit, Einsamkeit, Angst.
Und nur ein einziger Gedanke.
Wo ist Matt?
»Amy? Gott, Amy, hörst du mich?« Verzweifelt rüttele ich an ihr.
Seit gefühlten fünf Minuten nun schon, doch sie zeigt nicht die leiseste Reaktion.
Wie eine Schaufensterpuppe steht sie in der Türschwelle zu der kleinen Gästetoilette und rührt sich nicht.
»Oh, bitte, tu mir das nicht an!«, rufe ich verzweifelt und schließe meine Arme fest um sie. Meine Brust fühlt sich an, als würde sie von innen heraus zerreißen. »Bitte, Amy!«
»Amy? Wieso denn Amy? Sie heißt doch Julie, ich verstehe das nicht!« Kopfschüttelnd steht Diane neben mir, offensichtlich geschockt und überfordert von dem plötzlichen Wandel des bisher schönen Tages.
Meine Verzweiflung springt auf sie über und mischt sich in ihr mit all ihrer Verständnislosigkeit und Besorgnis.
Ratlos blickt sie zu ihrem Mann, der sich in den Türrahmen zur Küche zurückgezogen hat und selbst ziemlich verwirrt aussieht. »Was ist denn passiert, Wilson?«, fragt sie in vorwurfsvollem Ton.
»Keine Ahnung!«, erwidert er achselzuckend. »Ich hab Jeff die Pläne für den Ausbau gebracht. Als ich zurückkam, wollte ich mir die Hände waschen, aber die Toilette war verschlossen. Von drinnen rief Julie: ›Matt, ich komme!‹, und noch ehe ich etwas erwidern konnte, stand sie vor mir und erstarrte. Einfach so. Sie … hat sich wahrscheinlich erschreckt, dass es
nicht
Matt war, der vor ihr stand. Ich vermute, dass sie mich gar nicht kennt, oder?«
Fast ein wenig entschuldigend sieht er zwischen uns hin und her.
»Verdammt, ich hätte dich nicht allein lassen dürfen«, flüstere ich Amy zu, ohne auf Wilsons Frage einzugehen, und
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