Deine Seele in mir /
hülle sie in meine Jacke ein, als würde sie frieren. Irgendetwas sagt mir, dass sie das auch tut. »Komm, Süße, ich bringe dich nach Hause«, sage ich in meiner sanftesten Stimme und hebe sie auf meine Arme.
Sie ist so steif.
»Aber … ihr könnt doch jetzt nicht einfach so fahren«, ruft Diane. Im gleichen Atemzug tippelt sie jedoch schon hinter mir her und öffnet kurz darauf die Beifahrertür meines Wagens.
»Doch, das müssen wir.« Mein Tonfall ist ungewöhnlich fest. »Ich will sie zurück in ihre gewohnte Umgebung bringen und dann … Ich weiß auch nicht. Auf jeden Fall müssen wir schnell zurück!«
Mit diesen Worten lasse ich Amy behutsam auf ihren Sitz gleiten und schnalle sie an. Nur weg hier, schnell nach Hause!
Ich verabschiede mich ohne die geringsten Gefühlsregungen und nur mit dem allernötigsten Anstand. Diane reiche ich die Hand und Wilson, der offenbar noch immer unter Schock auf der kleinen Veranda vor der Haustür zurückgeblieben ist, winke ich nur zu.
Dianes Frage, warum ich ihre Nichte mit diesem fremden Namen anspreche, lasse ich unbeantwortet. Alles zu seiner Zeit!
Als ich die Autotür hinter mir zuschlage, fühle ich Erleichterung. Endlich allein!
Ich schnalle mich an und presche davon, ohne noch ein einziges Mal in den Rückspiegel zu sehen.
»Amy!« In kurzen Abständen wiederhole ich ihren Namen. Immer wieder, doch nach ein paar Minuten weicht der hoffnungsvolle Klang aus meiner Stimme. Sie hört mich nicht, das spüre ich genau.
Ich versuche, mir vorzustellen, dass sie trotzdem bei mir ist, denn das war sie schließlich immer.
Doch etwas Drängendes, tief in mir, sagt mir, dass das nicht stimmt. Diesmal
bin
ich allein! Und Amy ist es auch.
Als wir ein paar Meilen gefahren sind, halte ich am Straßenrand an. Ich löse den Sicherheitsgurt und wende mich ihr zu.
»Süße, sieh mich an. Willst du lieber an der Küste entlangfahren? Es ist mir gleich, ob ich einen Tag zu spät zur Arbeit komme, hörst du? Es ist mir völlig egal!«
Mittlerweile klinge ich nur noch verzweifelt, und die Tränen, die heiß in mir aufsteigen, fließen ungehindert meine Wangen herab. Wieder eine Erinnerung, die ich fast vergessen hatte: Weinen befreit nicht immer!
»Amy, bitte tu mir das nicht an. Bitte lass mich nicht wieder allein. Es tut mir leid. Ich hätte bei dir bleiben sollen. Verdammt! Es tut mir so leid, Amy. Bitte, komm zurück!«
Verzweifelt umfasse ich ihr Gesicht und schaffe es tatsächlich, ihren Blick in meine Augen zu lenken, doch sie sieht einfach durch mich hindurch.
»Nein, verdammt!« Flehend schließe ich meine Arme um sie. »Bitte, Amy, lass mich nicht allein. Bitte!«
Erst nach einigen Minuten habe ich mich so weit beruhigt, dass ich mich in der Lage fühle, weiterzufahren.
Alles wird wieder gut, ich muss sie nur zurückholen, sage ich mir immer wieder, wenn die Panik zu stark zu werden und mich zu überrollen droht. Ja, wir haben das schon einmal geschafft, und ich werde sie auch dieses Mal wieder finden!
Ich finde sie und hole sie da raus. Und dann bleibe ich bei ihr. Für immer!
Wilson lag mit seiner Vermutung sicher richtig.
Amy hatte sich erschrocken, als er plötzlich vor ihr stand. Wilson war überhaupt der erste Fremde, dem Amy seit ihrer Rückkehr allein begegnete. Und er stand da, wo sie mich erwartete. Diese Tatsache, in Kombination mit ihrer Erschöpfung, hatte wohl ausgereicht, um sie so sehr zu schockieren, dass sie in ihre alte Starre verfiel. Womöglich, um bei mir nach Hilfe zu suchen.
Ja, natürlich! Sie sucht nach mir, und ich werde sie finden.
Mich packt die Zuversicht und lässt mich, jenseits jeglicher Verkehrsregeln und Geschwindigkeitsbeschränkungen, über die breite Landstraße preschen.
[home]
XXV. Kapitel
I ch will nur noch nach Hause, in Amys gewohnte Umgebung, zu Kristin und Tom. Der Gedanke an die beiden trifft mich schwer. Wie werden sie wohl reagieren, wenn ich nach Hause komme und sich ihre schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet haben?
Bestimmt hat Diane ihre Schwester schon angerufen und ihr erzählt, was geschehen ist.
Ein Blick auf Amy zeigt mir, dass sie noch immer völlig regungslos dasitzt, und mir wird bewusst, was mich an ihrem derzeitigen Zustand so sehr ängstigt.
Amy ist nicht so wie zuvor, bevor sie sich für dieses Leben – das normale Leben – entschied. Wo sind das Schaukeln und dieser leise, monotone Singsang unseres Treueschwurs?
Sie sitzt wie eingefroren neben mir. Völlig starr. Nichts an ihr
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