Deine Seele in mir /
durch.
Kurzerhand schraubt sie den Verschluss des Katheterbeutels ab und tunkt den Streifen dort hinein, als wäre es das Normalste der Welt. So bizarr und eigentlich traurig die Situation auch ist – als ich Mary derart geschäftig sehe, muss ich dennoch schmunzeln. Sie ist so aufgeregt, als würde es sich um ihren eigenen Schwangerschaftstest handeln.
Schlagartig wird mir bewusst, dass es hier nicht um ihr, sondern um unser – um Amys und um mein – potenzielles Kind geht. Der Gedanke bringt mein Herz erneut zum Rasen.
Mary sieht zu mir auf. »Ich würde dir ja gern meine Daumen drücken, aber ich weiß nicht, wofür. Soll ich dir wünschen, dass ihr oder dass ihr nicht …?«, fragt sie vorsichtig.
Ich höre für einen Moment tief in mich hinein. Die Idee, Vater zu werden, ängstigt mich schrecklich. Doch die vage Vorstellung, eventuell ein Kind mit Amy zu bekommen, ist das mit Abstand Schönste, was ich mir überhaupt ausmalen kann.
Nur
ein
Gedanke an Amys einzig mögliche Reaktion lässt auch den letzten Funken meiner Zweifel sofort verglimmen.
»Dass wir ...«, sage ich bestimmt.
Mary lacht mir gerührt zu. Dann drückt sie ihre Daumen so fest, dass die Knöchel weiß hervortreten, und schließt sogar die Augen dabei.
»Wie lange?«, frage ich mit zittriger Stimme.
»Drei Minuten.«
»Hm.«
»Jetzt?«
»Noch lange nicht. Das war gerade mal ’ne Minute. Wenn überhaupt.«
»Jetzt?«
»Matt!«
Endlich, endlich – nach einer gefühlten Ewigkeit – reicht Mary mir den Teststreifen zwischen ihren Fingerspitzen. Mit abgewandtem Kopf und geschlossenen Augen beugt sie sich zu mir vor.
»
Du
guckst, es geht um euch!«, erklärt sie.
Zögerlich nehme ich den Streifen an mich. Gott, bin ich nervös! Schrecklich nervös! Meine Finger zittern ein wenig.
»Drei Striche«, stelle ich nüchtern fest. Plötzlich fällt mir ein, wie ich die Wartezeit besser hätte nutzen können – wie wär’s mit der Packungsbeilage gewesen? Ich habe nämlich nicht den leisesten Schimmer, was drei Striche bedeuten. Doch Marys Gesicht lässt mich nicht lange im Unklaren. Ich weiß Bescheid, noch ehe sich ihr Mund öffnet und ein erstickter Schrei durch das Zimmer hallt.
»Drei Striche, wirklich? Auch einer in der Mitte? Kein Punkt? Aaaah!!! … Oh, Gott! … Herzlichen Glückwunsch!«
Mary ist völlig aus dem Häuschen. Sie fällt mir um den Hals, und eine dicke Träne kullert über ihre Wange, doch ich kann mich nicht mal bewegen, so überrumpelt bin ich.
Wir bekommen ein Baby, Amy und ich!
Sie muss wach werden, wie soll das sonst gehen? Sie weiß nicht mal, dass sie unser Kind in sich trägt … Oh, mein Gott … Es ist die falsche Frau, die mich hier gerade umarmt, durchzuckt es mich.
Mary spürt meine Zurückhaltung, die einzig und allein aus einer völligen Überforderung heraus resultiert. Langsam zieht sie sich zurück. »Ich gehe runter, zu Tom und Kristin«, sagt sie leise. »Keine Angst, ich sage nichts, aber … Ich denke, ihr braucht jetzt ein bisschen Zeit für euch allein.«
Schon ist sie draußen und mit ihr die ganze Euphorie.
Wie erstarrt blicke ich auf den schmalen Streifen in meinen Händen. Drei rote Striche. Einer weniger und alles würde beim Alten bleiben. Aber dieser eine, dieser mittlere Strich – er ist winzig – der wird unser bisheriges Leben völlig auf den Kopf stellen.
Mal wieder!
Langsam beuge ich mich zu Amy vor. »Wir werden Eltern, Süße! Du wirst Mutter werden.«
Ich küsse sie sanft auf den Mund, als mir bewusst wird, dass ich wohl der erste Mann der Welt bin, der seiner ahnungslosen Frau verkündet, dass sie ein Kind von ihm erwartet.
[home]
XXVI. Kapitel
N ein! Nein! Verdammt noch mal, nein!« Tom tobt.
Im ersten Moment sieht er aus, als wolle er mich schlagen, im zweiten, als wolle er mich umbringen, im dritten, als würde er gleich platzen. Doch dann wendet er sich abrupt um und läuft haltlos im Wohnzimmer auf und ab. Wie ein Hai in einem zu kleinen Becken zieht er seine Bahnen.
»Das hätte ich nicht von dir gedacht!«, ruft er und zeigt verächtlich, mit ausgestrecktem Zeigefinger, auf mich. Seine Augen sind nur noch schmale Schlitze. So zornig habe ich ihn noch nie gesehen, und ich spüre, wie auch in mir die Wut hochsteigt. Vor meinem geistigen Auge sehe ich Amy und mich nebeneinander auf dem großen Berg stehen und lauthals schreien. Meine Stimme hatte mich zu Beginn erschreckt. Ich erinnere mich gut an Amys Worte: »Ich habe dich schreien gehört, Matt,
Weitere Kostenlose Bücher