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Deine Seele in mir /

Deine Seele in mir /

Titel: Deine Seele in mir / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Ernst
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aber du hast es nie getan … immer bist du still geblieben.«
    Ja, sie hat recht! Ich darf nicht immer alles schlucken.
    »So, das hättest du nicht von mir gedacht?«, wiederhole ich im selben Moment schon herausfordernd und blicke Tom dabei fest in die Augen. »Was denn? Was hättest du nicht von mir gedacht, Tom? Dass ich Amy liebe? Dass ich dieselben körperlichen Bedürfnisse habe wie jeder andere Mann meines Alters auch? Dass ich diesen Bedürfnissen nie nachgeben konnte – nicht ein einziges Mal in meinem ganzen Leben –, bis Amy wieder da war und mich von meinen Ängsten befreite? ... Was? Was hättest du nicht von mir gedacht, Tom?«
    Mittlerweile ist er stehen geblieben. Mit gesenktem Blick starrt er auf den Boden vor seinen Füßen.
    Meine Wut wird durch plötzliches Mitgefühl verwischt. »Ich
liebe
Amy, Tom … über alles! Und ja, wahrscheinlich wirkt das, was wir getan haben, gedanken- und verantwortungslos auf euch. Vergiss aber nicht, dass Amy neun Jahre älter ist als ihr Körper. Ihr Geist, ihr Bewusstsein, ist so alt wie ich. Und vielleicht wollte sie es drauf ankommen lassen – ebenso wie ich. Sie wusste, was sie tat. Wir
beide
sind das Risiko eingegangen, ein Baby zu bekommen – zu gleichen Teilen. Wir sind erwachsen … und wir lieben uns, Tom!«
    Zunächst noch erstaunt über meinen Gefühlsausbruch, regt sich Tom kaum. Nur sein häufiges Blinzeln verrät mir, dass er ziemlich verdutzt ist. Dennoch erwidert er meinen Blick schließlich und hält ihm mürrisch stand.
    »Es ist okay, Matt! Dass ihr euch liebt, meine ich, aber … Ihr hättet trotzdem warten müssen. Und ja, ich schreibe dir dabei den Löwenanteil der Schuld zu. Du wusstest nicht, wie stabil sie ist. Außerdem kann ich nicht fassen, dass du sie schwängerst – nur zweieinhalb Monate, nachdem sie aus dieser schrecklichen Starre gefunden hat.«
    »Schluss!«, mischt sich nun auch Kristin ein, die bisher nahezu lautlos neben uns gesessen und unserem erhitzten Dialog nur zugehört hatte. »Hört auf, euch zu streiten. Sofort! Streit ist das Letzte, was wir jetzt noch gebrauchen können. Amy ist schwanger. Gut! Oder auch nicht. Jedenfalls müssen wir damit erst einmal klarkommen. Das ist ein Schock für uns, Matt, das musst du verstehen.«
    »Ein Schock?«, unterbricht Tom sie. »Das ist kein Schock, Kristin! Das ist der allergrößte Schlamassel, der überhaupt hätte passieren können.«
    »Nein!«, erwidere ich energisch. »Es ist
kein
Schlamassel. Es ist euer Enkelkind, von dem ihr so sprecht. Und ihr … vergreift euch gerade an ihm.«
    Wutentbrannt stürme ich hinaus, schlage die Tür hinter mir zu und steige in meinen Wagen.
    Zwanzig Minuten später betrete ich zum ersten Mal seit etlichen Wochen wieder meine Wohnung.
    Es ist eiskalt, denn selbstverständlich hatte ich bei meinem letzten Verlassen die Heizung abgestellt. Ich fühle mich müde, ausgelaugt und traurig. Nicht gerade die Gefühle, die ein Mann haben sollte, der erst vor wenigen Stunden erfahren hat, dass er bald Vater werden wird.
    Doch am schlimmsten schmerzt das Loch in meiner Brust, das Amy bei ihrem Erstarren dort hineingerissen hat. Sie fehlt mir so. Ihr Lachen und ihre grenzenlose Freude an all den kleinen Dingen des normalen Lebens.
    Wenn sie sich über den Schnee schon so gefreut hatte und über den Anblick des Ozeans, wie groß wäre wohl die Freude über ihre Schwangerschaft gewesen?
    Sie hätte Tom und Kristin auch die Meinung gesagt, da bin ich mir sicher. Allerdings muss ich nun, da ich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder allein mit mir bin, zugeben, dass ich die beiden auch verstehen kann. Amy ist schwanger, und niemand von uns weiß so recht, wie es nun weitergehen soll, denn eigentlich hängt das nur von Amy selbst ab. Sie kann noch sehr lange in diesem schrecklichen Zustand bleiben, doch genauso gut könnte es jederzeit passieren, dass sie wieder Regungen zeigt und langsam ihren Weg zurückfindet. Zumindest hoffen wir das. Doch egal was auch passiert, ich werde für sie und unser Kind da sein, das schwöre ich mir und auch Amy in diesem Moment.
    Als ich mich auf mein Bett fallen lasse, komme ich auf etwas Hartem zu liegen.
    Es ist ein kleines Buch, das ich dem großen Karton entnommen hatte, bevor ich ihn zu Tom und Kristin mitnahm. Wie endlos weit weg mir dieser Abend doch erscheint.
    Ich setze mich wieder auf und nehme das Buch in die Hand.
    Gedichte und Gedanken,
steht in einer unverkennbaren Schrift darauf. Es gehörte meiner

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