Deine Seele in mir /
zur Toilette. Er erbricht sich. Als er das kleine Gästebad verlässt, sieht Wilson ihn argwöhnisch an. Sein Blick fällt auf Matts Narbe, und seine Augen verengen sich zu schmalen Schlitzen. Oh, mein Gott, hat er ihn etwa erkannt? Bin ich deswegen hier?
Ist Matt in Gefahr?
Er kommt an mein Bett. Tapfer verdrängt er seine Tränen und küsst mich. Gott, wie erschöpft er aussieht. Sein schönes Gesicht ist so blass. Tiefe Ringe liegen unter den samtbraunen Augen. Vorsichtig entfernt Matt einen dünnen Schlauch aus meiner Nase. Zum Teufel, was fehlt mir denn?
Kurz darauf verlässt er den Raum. Er versucht, sich leise zu bewegen, schleicht regelrecht über den Flur und betritt Kristins und Toms Schlafzimmer. Offenbar will er telefonieren, doch etwas scheint nicht zu stimmen. Mit dem Hörer in der Hand dreht er sich ruckartig um, und ich sehe direkt in sein zu Tode erschrecktes Gesicht.
Wilson. Er steht vor ihm, mit einem Revolver in seiner Hand!
Nein, bitte nicht! »Matty!«
Ich sehe, wie er vor Wilson das Haus verlässt. Toms Auto ist nicht da, doch ein silberner BMW steht neben Matts Ford in der Einfahrt. Ein Kombi. Das muss Wilsons Auto sein.
Matts Gang wirkt mechanisch. Sie gehen um das Haus herum und laufen auf einer großen Wiese einer Waldböschung entgegen.
Was hat Wilson vor?
Die Bilder verschwimmen, und etwas – eine unsichtbare Macht – scheint an mir zu zerren.
Ich werde fortgerissen, weit weg. Die angenehme Wärme und dieses wohltuende Licht verschwinden. Ich höre mich schreien; wieder und wieder brülle ich Matts Namen. Jemand hält mich und dann – endlich – erst noch aus der Ferne, dann jedoch immer deutlicher, mischt sich eine andere Stimme mit meiner eigenen und überschattet sie schließlich.
Mary!
»
Amy! Amy! Amy! Beruhige dich, Süße, Matt ist bestimmt gleich wieder da. Amy, hörst du mich? Er kommt sicher gleich wieder.«
Mein ganzer Körper zittert, ich fühle mich schlapp, stellenweise wund, mein Hals schmerzt. Doch all das zählt nicht. Ich bin zurück!
Wo ist Matt? Mary starrt mich an.
»
Mary, wo ist Matt?«, frage ich sie.
Sofort schlägt sie die Hände vor dem Mund zusammen. »Amy, siehst du mich etwa?«
»
Mary, bitte!«, rufe ich panisch. Unsanft schüttele ich an ihren Oberarmen und sehe sie flehend an. »Wo ist Matt?«
Verständnislos erwidert sie meinen Blick. »Ich weiß es nicht. Ich wollte nur hallo sagen, es war eine spontane Idee, zur Feier des Tages. Die Tür war angelehnt. Ich dachte, ich finde ihn bei dir und …«
Ich lasse sie nicht ausreden. »Stand Toms Auto vor der Tür?«
Sie schüttelt den Kopf.
»
Nein, nur der Ford und ein silberner Kombi. Amy, was ist denn bloß los?«
Meine Hände fallen schlaff von ihren Schultern.
Oh, Gott!
Ich muss zu ihm, so schnell ich nur kann. Noch ehe Mary es realisieren kann, schwinge ich meine Beine bereits herum und setze meine Füße auf den Boden in dem Vorhaben, aus meinem Bett zu springen und zu Matt zu laufen.
Doch meine Knie, als wären sie nie Teil meines Körpers gewesen, versagen mir ihre Dienste. Wie unstabile Stöckchen, die viel zu schwer belastet wurden, knicken meine Beine einfach weg.
Ein starker, spitzer Schmerz zieht sich von meinen Zehen bis in meine Oberschenkel. Sofort wird mir schummrig vor Augen.
»
Amy!«, höre ich Marys entsetzten Ausruf. »Bist du verrückt? Du kannst doch nicht einfach so aus dem Bett springen. Weißt du überhaupt, wie lange du hier gelegen hast?«
Mühsam hilft sie mir auf und stützt mich, doch ich habe nicht die Zeit, mir derartige Gedanken zu machen. Schnell ergreife ich Marys Handgelenke und sehe ihr dabei so eindringlich in die Augen, dass sie im selben Moment verstummt.
»
Mary, ich brauche dich, hör mir zu! Matt ist in großer Gefahr. Wilson ist bei ihm, und Wilson war es, der uns das alles angetan hat. Als wir noch Kinder waren, meine ich. Er war es, der mich vergewaltigt und ermordet hat, und er hat Matt diese Verletzung am Kopf zugefügt. Mary, bitte … Kennst du das Schlafzimmer meiner Eltern?«
Mary nickt. Der Schock steht wohl in ihren großen, vertrauenden Augen, doch ich kann keine Angst darin erkennen.
Mir bleibt keine Zeit, mich darüber zu wundern.
»
Tom schläft auf der linken Seite. Er hat uns mal gezeigt, dass in der Schublade seines Nachtschrankes ein geladener Revolver liegt. Hol ihn dir, aber sei vorsichtig, hörst du? Wilson ist ebenfalls bewaffnet. Du musst Matt helfen. Sie sind am Waldrand, hinter dem Haus. Bitte Mary, beeil
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