Deine Seele in mir /
zuletzt auch Angst in unseren Blicken.
Denn nicht nur Amy fürchtet sich vor dem nächsten Morgen.
Was, wenn sie im Schlaf wirklich wieder abdriftet? Wir versuchen wohl beide, den unvermeidbaren Moment des Einschlafens so lange es nur geht hinauszuzögern, doch es nützt nichts.
Unsere Lider werden immer schwerer, und nur wenige Minuten, nachdem ich sah, wie ihre zufielen, ergebe auch ich mich dem tiefen Sog des Schlafes. Zuvor jedoch lege ich meinen Arm um Amy und spüre, wie sie sich an mich schmiegt.
Am nächsten Morgen schrecke ich sehr früh auf. Amy schläft noch. Ihre Gesichtszüge sind völlig entspannt, von Zeit zu Zeit lächelt sie sogar leicht im Schlaf. Die Welt würde ich eintauschen gegen das Wissen um den Inhalt ihrer Träume.
Als sie schließlich erwacht, geschieht das ohne Vorankündigung. Sie liegt neben mir auf dem Rücken. Ohne sich zuvor zu drehen oder auch nur zu räkeln, öffnet sie abrupt ihre Augen. Mein Herzschlag setzt kurz vor Schreck aus, so starr heftet sich ihr Blick an die Zimmerdecke. Sie bewegt sich nicht – nicht mal ein bisschen.
»Amy?«, frage ich erschreckt und stütze mich ruckartig auf die Ellbogen.
Es dauert einige Sekunden, bis sie ihren Kopf endlich dreht und mich ansieht. »Tom hatte recht, Matty. Es ist ein Wunder.«
[home]
X. Kapitel
D ie einzige Helligkeit, die durch die dichten Vorhänge zu uns hereindringt, ist das Licht der Laterne unter Amys Zimmer. Das Haus ruht in perfekter Stille, die nur ab und zu von dem Knacken der Balken unterbrochen wird.
Es wird sicherlich noch eine gute Stunde vergehen, bis die Sonne ihre ersten Strahlen zu uns hereinschickt, doch wir sind bereits hellwach. Warm in die große Decke gehüllt, liegen wir einander gegenüber und staunen uns an. Schweigend.
Worte wirken gefährlich unangebracht in dieser zerbrechlichen Atmosphäre. Eigenartig, aber nun bin ich derjenige, der die Stille schließlich dennoch durchbricht. »Ich hatte solche Angst, dass du wieder weg sein könntest.«
Vorsichtig streiche ich eine lange Locke aus Amys Stirn. Ihr Lächeln ist warm und mild, doch ihre Augen funkeln vor Stolz.
»Ich hab dir doch versprochen zu bleiben.«
»Ja, das hast du«, gebe ich lächelnd zu.
Wieder vergehen Minuten ohne ein weiteres Wort. Wo sollen wir auch beginnen? Es gibt so viel, was noch geklärt werden muss. Über einundzwanzig verlorene Jahre. Wir wissen wohl beide, dass es kein Zurück mehr geben wird, sobald wir versuchen, den Zusammenhängen unseres Wiedersehens auf den Grund zu gehen. Und so belassen wir es vorerst dabei.
Irgendwie haben wir zueinander gefunden, und in diesen Minuten scheint nichts anderes zu zählen als genau dieses Glück.
Amy streichelt über mein Gesicht. Das Verlangen, meine Augen unter ihren Berührungen zu schließen, ist groß. Ich widerstehe nur knapp.
»Du hast eine Freundin, nicht wahr?«, fragt sie plötzlich.
»Hm?«
»Oh, du hast mich schon verstanden. Du. Hast. Eine. Freundin.«
Das ist keine Frage, sondern eine Feststellung. Amy dreht sich auf den Bauch und stützt sich auf die Ellbogen. Sie grinst mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Du meinst Mary«, erwidere ich und versuche, es möglichst lässig klingen zu lassen. Die Wahrheit ist: Ihre Offenheit schockt mich.
»Ja, genau. Ich meine Mary. Sie ist süß.«
Lässigkeit adé, meine Kinnlade klappt herab. »So, ist sie das? Du hast also auch
sie
gesehen, ja? Na ja, ich würde Mary nicht gerade als meine feste Freundin bezeichnen. Sie ist ...«
»... schon irgendwie deine feste Freundin, Matt. Ihr habt euch schließlich geküsst und ...«
Mein Kopf legt sich von allein schief; mit großen Augen sehe ich sie an.
»Oh ja, du brauchst gar nicht so entsetzt zu schauen. Ihr habt geknutscht, mein Freund. Wild geknutscht.«
Nun hat ihr Grinsen etwas Triumphierendes, und ich bekomme eine Ahnung davon, wie es gewesen wäre, mit Amy meine Teenagerzeit zu verbringen.
»Hey! Ich bin mir nicht sicher, ob ich es mag, dass du so viel von mir weißt«, gebe ich verlegen zurück.
»Warum?«
»Hm, na ja ... das ist ... peinlich«, stelle ich nüchtern fest.
Amy lacht laut auf; sie amüsiert sich prächtig.
»Wieso das denn? So geregelt, wie du lebst, gibt es wirklich nicht viel, was ich gesehen haben könnte – eigentlich überhaupt nichts, was dir peinlich sein müsste.«
»EBEN!«, rufe ich und schlage dabei die Hände vor meinem Gesicht zusammen.
Die wohlbekannte Hitze glüht in meinen Wangen, mein Herz rast. Auch wenn unser
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