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Deine Seele in mir /

Deine Seele in mir /

Titel: Deine Seele in mir / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Ernst
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fort. »Was macht es denn für einen Sinn, in der Vergangenheit herumzustochern? Ich war allein, seitdem du weg warst. Der Tod meiner Eltern hat die Situation für mich nicht gerade einfacher gemacht. ... Gott sei Dank war ich wenigstens alt genug, um allein zu leben. Ich hätte es nicht ertragen, bei Fremden oder ... in einem Heim wohnen zu müssen. Warum wühlst du in diesen Wunden? ... Ich dachte, es gäbe eine Art ... stillschweigende Vereinbarung zwischen uns, all die schrecklichen Dinge, die wir natürlich irgendwann besprechen müssen, erst einmal auf sich beruhen zu lassen.«
    Verwundert sieht sie mich an. »Aber ... das haben wir nie gesagt.«
    »Nein, haben wir nicht. Deshalb ja auch stillschweigend, Amy!«
    In diesem Moment klopft es an der Tür.
    »Guten Morgen!«, ruft Kristin von draußen. Sie klingt etwas nervös. Waren wir zu laut?, durchzuckt es mich. Bestimmt!
    »Guten Morgen!«, erwidern wir wie aus einem Mund.
    »Komm rein«, füge ich hinzu und greife im selben Moment schon nach Amys Hand. Trotz des plötzlichen Stimmungswandels unseres Gesprächs wirkt sie sehr gefasst. Wie zur Bestätigung drückt sie meine Hand und sieht mir tief in die Augen. Dennoch kann ich noch nicht einschätzen, wie sie auf unvorhersehbare Situationen mit Kristin und Tom reagiert. Langsam öffnet sich die Tür einen Spaltbreit und Kristin lugt zu uns herein.
    »Hallo ihr beiden«, begrüßt sie uns noch einmal, den Blick auf ihre Tochter geheftet. Die Rührung darüber, dass Amy sie so klar ansieht, erobert ihre Augen sehr schnell.
    »Hallo!« Amy erwidert das Lächeln.
    Kristin verkneift sich jeden Kommentar darüber, dass sie uns gemeinsam und so eng beieinander in dem großen Bett vorfindet. »Mögt ihr Eier zum Frühstück?«
    Auf unser Nicken hin verlässt sie das Zimmer schon wieder. Amys Lächeln bröckelt, sobald Kristin die Tür hinter sich zugezogen hat.
    »Matty, es tut mir leid, dass ich dich bedrängt habe.«
    »Du hast mich nicht bedrängt«, erwidere ich. »Ich weiß ja auch, dass du recht hast. Wir müssen reden. Es geht bloß ... so schnell. Das alles ist schrecklich verwirrend. Gestern Morgen saßen wir noch gemeinsam auf dem Fußboden – wippend und summend –, und ich war froh, wenn du mir zwischendurch für ein paar Sekunden in die Augen gesehen hast. Und jetzt sitzt du hier und redest über all diese Dinge mit mir, als wärst du nie weg gewesen. Das ist ... schon ziemlich komisch ... und sehr verwirrend.« Nervös sehe ich sie an, doch Amy wirkt nun wieder völlig ruhig.
    »Meinst du nicht, du vergisst da etwas?«, fragt sie mich lächelnd.
    »Hm?«
    »Na, ich finde es nicht nur komisch und verwirrend. Ich finde es auch sehr, sehr schön.« Ihren Blick auf meine Hände gerichtet, lässt sie ihre Finger sanft über die noch dünne Haut an den Innenseiten meiner Daumen gleiten. O Gott, sie weiß wirklich alles über mich.
    Eine Weile verharren wir in vollkommener Stille und genießen den Moment, doch plötzlich fällt mir etwas ein.
    »Oh, Mist! Ich muss dringend mit Mary telefonieren. Eigentlich müsste ich heute wieder arbeiten.«
    Schon stehe ich neben dem Bett und drücke die einzige Nummer im Kurzwahlspeicher meines Handys.
    Mary hebt ab. »Guten Morgen, Matt. Wo bleibst du denn? Das Wartezimmer platzt schon aus allen Nähten.« Noch bevor ich ihr die Neuigkeiten mitteilen kann, höre ich John im Hintergrund.
    »Mary, gib ihn mir mal bitte. Danke.«
    »Matt? Herrgott noch mal, wo steckst du?«
    Mist, was sage ich denn jetzt?
    Ich bin der miserabelste Lügner aller Zeiten. Andererseits kann ich ihm wohl kaum erzählen, was wirklich los ist.
    »Hör zu, John, ich kann dir nicht erklären, was passiert ist, aber glaub mir ... Es ist wirklich
unmöglich
, dass ich heute zur Arbeit komme.«
    Ein vergeblicher Versuch, mich herauszuwinden.
    »Wie meinst du das? Matt, hast du auch nur den leisesten Schimmer, was hier los ist? Die Patienten laufen Amok. Wir müssten sie stapeln, um alle in das Wartezimmer zu bekommen. Der komplette Flur ist besetzt. Megan und ich schieben seit Tagen Überstunden bis zum Erbrechen. Ich habe schon Stress mit meiner Frau deswegen. Erzähl mir also nicht, dass du nicht kommen kannst. Wir haben viele deiner Patienten auf heute vertröstet. Die meisten wollen sich nämlich nur von dir behandeln lassen. Also – mach, dass du schleunigst hier eintrudelst!«
    Amy, die auf der Bettkante sitzt und aufgrund von Johns Lautstärke seine Reaktion Wort für Wort mitbekommt, bedeutet

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