Deine Spuren im Sand

exakt am anderen Ende der Republik.« Damit hatte er Piet Röder einen Brocken vorgeworfen, nach dem er schnappen würde. Und an dem folgenden würde er sich vor lauter Gier verschlucken: »Die Close up wird das einzige Blatt sein, das die Wahrheit kennt!«
    »Alles klar!«, sagte Röder, und seine Stimme klang sehr zufrieden. »Ich ziehe Alex von dem Fall ab.« Ein kurzes Zögern, dann verstieg sich Piet Röder sogar zu den anerkennenden Worten: »Echt Spitze, Kaiser! Wenn Sie morgen Fotos von der Funke liefern …«
    »Ich hoffe, es gelingt mir«, versuchte Berno die Euphorie seines Chefredakteurs zu zügeln. Und ein Lob, das ihm nicht zustand, wollte er erst recht nicht hören, wenn etwas Derartiges auch noch so selten aus Piet Röders Mund kam. »Dass sie bereit ist, mit mir zu reden, wage ich zu bezweifeln. Unsere Trennung ist nicht gerade in aller Freundschaft verlaufen.«
    »Egal! Das Wichtigste sind die Fotos! Das Interview schreibe ich selbst! Die Funke brauchen wir dafür nicht!«
    Als das Gespräch beendet war, blieb Berno am Fenster stehen, blickte hinaus, ohne etwas zu sehen, lauschte auf ein Geräusch, das nicht von außen kam, sondern aus seinem Innern. Wenn ein Konkurrenzblatt am Montag Bilder von Emily Funke auf dem Titel hatte, dann war er geliefert. Röder würde ihn in der Luft zerreißen. Nur solange sein Chefredakteur darauf vertraute, dass er Emily in Süddeutschland jagte, war er sicher.
    Plötzlich durchfuhr ihn ein eisiger Schreck. Wenn Emily nach ihrem Treffen mit Alex nach Westerland ins Hotel Roth zurückgefahren war, dann hatte sie sich vermutlich direkt in die Höhle des Löwen begeben. So gut ihre Verkleidung auch war, wenn sich herumgesprochen hatte, dass Emily Funke eine blonde Perücke trug, würde man sie dort erkennen.
    Berno riss seine Jacke vom Haken und vergewisserte sich, dass sein Autoschlüssel in der Tasche steckte. Er musste ins Hotel Roth! Vielleicht konnte er Emily noch helfen!
    Als er die Holztreppe herunterlief, hörte er ein warnendes Räuspern aus dem Schlafzimmer der Tornsens. Das ärgerte ihn dermaßen, dass er die Haustür donnernd ins Schloss fallen ließ. Sollte Frau Tornsen ihn morgen dafür zur Rede stellen, würde er ihr erklären, er habe draußen nach einer Lösung für sein dringendes Bedürfnis gesucht.
    Zum Glück war er noch nicht am Straßenrand angekommen, als er das Geräusch hörte, und im selben Augenblick sah er jemanden eiligen Schrittes die Straße entlang kommen, der so groß und breitschultrig war wie Alex Traum. Berno hatte gerade noch Gelegenheit, sich hinter einen Busch in Tornsens Vorgarten zu ducken. Von dort aus konnte er beobachten, wie Alex Traum, mit dem Handy am Ohr, auf das Haus seines Vaters zuging. Noch war es so still, dass Berno ihn sagen hörte: »Okay, Chef! Dann kann ich mich ja aufs Ohr legen!«
    Nun aber wurde das Geknatter immer lauter, und Alex blieb stehen und sah dem alten Motorrad entgegen, das kurz darauf vor ihm zum Stehen kam. Der Fahrer hängte den Helm an den Lenker des Motorrades, schob es neben die Haustür und strich sich über seine grauen Haare. Sein heller Bart blitzte auf, als er unter der Laterne herging, die den Hauseingang beleuchtete. Er schob die Umhängetasche zurecht, die er trug, dann legte er den Arm um Alex’ Schultern, und die beiden betraten gemeinsam das Haus. Vater und Sohn?
    Was hatte das zu bedeuten? Hatte Alex seinen Vater in seine Pläne eingeweiht? Unterstützte der Alte seinen Sohn, weil er wusste, dass der in seinem Beruf nicht besonders erfolgreich war? Vielleicht war der Vater auch ein besserer Fotograf als Alex und nahm ihm deshalb diese Arbeit ab. Möglich aber auch, dass Emily dem Interview mit Alex Traum nur zugestimmt hatte unter der Bedingung, dass keine Fotos von ihr gemacht wurden. Ja, das musste es sein! Emily wollte sich weiterhin inkognito auf der Insel aufhalten, und das ging natürlich nur, wenn niemand wusste, wie sie zurzeit aussah! Aber Alex, der Schuft, war nur zum Schein auf diese Vereinbarung eingegangen. Sein Vater hatte die beiden im Garten der Wattrose fotografiert und war Emily dann sogar nach Westerland gefolgt, um auch dort im Hotel Fotos von ihr zu machen. Und Piet Röder wusste nichts davon! Warum nicht? Alex sollte doch froh sein, mit einem solchen Artikel seine Chancen in der Redaktion zu verbessern!
    Berno seufzte vor Anspannung, während er sein Auto aufschloss. Was hatte Alex Traum vor? Was wollte er mit der Story und den Fotos machen?

9.
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