Deine Spuren im Sand
sie schmeckte salzig und machte mich blind. Ich musste eine Hand vom Steuer nehmen, um alles wegzuwischen, was mich an Berno erinnerte. Dieser Schuft! Dieser Verräter! Wie hatte ich diesen Mann lieben, wie hatte ich ihm vertrauen können! Maik hätte niemals derart mein Vertrauen missbraucht. Er war anders als Berno, ganz anders …
Als ich vor dem Hotel Roth anhielt, hörte und sah ich das Motorrad nicht mehr. Hastig stieg ich aus und lief auf den Hoteleingang zu. Diesmal wollte ich darauf verzichten, um das Gebäude herum in die Passage zu gehen und von dort in mein Apartment. Jetzt wollte ich nur möglichst schnell verschwinden! Also runter von der Straße und rein ins Hotel!
In der Tür drehte ich mich um und blickte zurück. Niemand war mir gefolgt. Hatte ich den Motorradfahrer abgehängt? Glauben konnte ich es nicht. Wenn es wirklich Berno gewesen war, der mir folgte, dann wusste er vermutlich längst, wo ich wohnte. Dann war er mir nur so lange gefolgt, bis er sicher sein konnte, dass heute kein spektakuläres Foto mehr von mir zu machen war. Was mochte er bereits im Kasten haben? Emily Funke in hässlicher Verkleidung und unansehnlicher Perücke beim Einkauf in einer Parfümerie! Emily Funke am Grab ihrer Eltern! Emily Funke in einem Keitumer Restaurant! Am Montag würde die Close Up voll von diesen Fotos sein. Und dann hielt ich mich besser irgendwo auf, wo Berno mich nicht vermutete! Im Bayerischen Wald oder in der Lüneburger Heide.
In diesem Augenblick knatterte das Motorrad auf den Parkplatz der Sylter Welle. Wie erstarrt blieb ich stehen, als der Fahrer abstieg. Sein Helm baumelte am Lenker, als hätte er keine Zeit gehabt, ihn aufzusetzen, als er losgefahren war. Er fuhr sich durch die Haare, und ich sah, dass sie weiß waren. Und nun erkannte ich auch an seinen Bewegungen, dass er kein junger Mann mehr war. Seine Kniegelenke schienen ihm zu schaffen zu machen, und er hob sein rechtes Bein an, als wäre es während der Fahrt steif geworden und müsste sich erst wieder an seine eigentliche Aufgabe gewöhnen. Nun schien ihm mein Auto aufzufallen. Er betrachtete es eine Weile, dann setzte er seinen Helm auf, hob sein rechtes Bein über den Sattel und startete den Motor wieder. Ich wandte mich ab und betrat das Hotel. Sah ich etwa schon Gespenster?
Kopfschüttelnd durchquerte ich die Lobby, in der viel los war. Zahlreiche Männer saßen in den Sesseln und einige Frauen. Dass es mehrere gab, die sich eine Kamera umgehängt hatten, und sogar einige, die mit Stativen hantierten und die Lichtverhältnisse in der Lobby überprüften, fiel mir zu spät auf.
Wie angewurzelt blieb ich stehen, als ich den Portier verzweifelt rufen hörte: »So glauben Sie mir doch! Emily Funke ist nicht bei uns abgestiegen!«
Berno stand am Fenster und starrte hinaus. Frau Tornsen hatte ihn soeben darüber in Kenntnis gesetzt, dass ihr Mann zu Bett gehen wolle, was bedeute, dass das Bad in der nächsten halben Stunde besetzt sei. Wenn Herr Kaiser also ein dringendes Bedürfnis verspüre, dann möge er sich jetzt darum kümmern oder bereitwillig eine halbe Stunde damit warten. Selbstverständlich, so ergänzte Frau Tornsen eilig, sei sie aber bereit, ihren Mann zu ermahnen, sich mit seiner Abendtoilette zu beeilen, denn ein Feriengast ginge in diesem Hause immer vor.
Eilig hatte Berno sie aus dem Zimmer geschoben mit der Zusicherung, bei ihm pressiere nichts, aber auch gar nichts. Daraufhin hatte sich Frau Tornsens Miene sorgenvoll verzogen. Die Toilettenspülung sei sehr laut, hatte sie Berno verraten und ihn ermahnt, sie zum letzten Mal zu benutzen, solange sie und ihr Mann noch nicht eingeschlafen seien. Danach müsse er nach einer anderen Lösung suchen. Wie die aussehen sollte, danach hatte Berno vorsichtshalber nicht gefragt. Die Sorge, dass ihm ein Eimer angeboten würde, war zu groß und erst recht die Angst vor seiner eigenen Reaktion, wenn er gezwungen sein sollte, mit Frau Tornsen den Eintritt dieser Möglichkeit zu diskutieren. So hatte er ihr nur mit mühsam unterdrücktem Zorn mitgeteilt, dass ihm das Wetter nicht gut genug sei für einen längeren Aufenthalt auf Sylt, dass er sich bei mehreren aufeinanderfolgenden Regentagen mit großer Wahrscheinlichkeit eine Bronchitis holen würde, die bei seinem geschwächten Allgemeinzustand leicht zu einer Lungenentzündung werden könne. Deswegen werde er wohl demnächst ihr gastliches Haus wieder verlassen müssen. Trotz der vorbildlichen persönlichen Betreuung, hatte
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