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Deine Spuren im Sand

Deine Spuren im Sand

Titel: Deine Spuren im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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blonden struppigen Bart verdeckt wurde, und in helle, freundliche Augen. »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Meine EC-Karte«, sagte ich und versuchte ihn nicht anzusehen. »Der blöde Apparat nimmt sie nicht an.«
    Sein Lächeln verschwand, er sah mich überrascht und sogar ein wenig besorgt an. Wie ein Oberlehrer hob er den Zeigefinger und wies auf das Wort, das über dem Schlitz prangte: Fahrkarte! »Da gehört die Fahrkarte rein, falls man schon eine hat.« Er zeigte auf einen weiteren Schlitz. »Hier gehört die EC-Karte rein!«
    War ich von allen guten Geistern verlassen? Wieso hatte ich das nicht gesehen? War ich schon komplett mit den Nerven runter und mit meiner Flucht total überfordert?
    Vorsichtshalber schob ich die Sonnenbrille vom Kopf auf die Nase zurück, ehe ich den Versuch machte, durchs geöffnete Seitenfenster den Schlitz zu erreichen, in den meine EC-Karte gehörte.
    »Ich würde Ihnen ja gern helfen.« Der Typ grinste. »Aber ich kann nur für Sie die Karte in den Schlitz schieben. Ihre Geheimzahl müssen Sie schon selbst eingeben.«
    Klugscheißer! schimpfte ich lautlos. Dabei hätte ich dem blonden Bartträger eigentlich hoch anrechnen müssen, dass er sich nicht wieder in sein Auto schwang und mich mit meinem Problem, das gar keins mehr war, allein ließ. Aber konnte ich wirklich wissen, was er im Schilde führte? Vielleicht war er einer von denen, die hinter mir her waren! Dann spielte er hier den Hilfsbereiten, um mich in Sicherheit zu wiegen, und war in Wirklichkeit nur darauf aus, mich bei nächster Gelegenheit in die Finger zu kriegen! Dann, wenn wir irgendwo allein waren. Nein, ich musste auf der Hut sein!
    Unauffällig kontrollierte ich den Sitz meiner Perücke und stieg aus. Er drehte mir diskret den Rücken zu, während ich meine Geheimzahl eintippte. Wieder fragte ich mich, warum er nicht in sein Auto stieg. Traute er mir etwa auch den Rest nicht zu? Gang einlegen, die geöffnete Schranke passieren und auf der richtigen Spur zum Stehen kommen? Frechheit!
    Ich wartete darauf, dass der Automat mein Ticket für den Autozug druckte und mir meine EC-Karte zurückgab mit dem Hinweis »Zahlung erfolgt!«. Das ging sehr zügig vonstatten, aber trotzdem reichte die Zeit aus, in mir die Zuversicht zu wecken, dass dieser gutaussehende Mann nicht zu denen gehören konnte, die mir auf den Fersen waren, sondern eher zu denen, für die Frauen noch immer das schwache Geschlecht verkörperten. Aber den einen brauchte ich so wenig wie den anderen. Und so fiel meine Dankbarkeit entsprechend knapp aus. Als wenn ich die Tastatur zur Eingabe meiner Geheimzahl nicht selber gefunden hätte! Irgendwann …
    Trotzdem verstand er meine mehr als flüchtigen Dankesworte falsch und erklärte strahlend, er sei völlig zufrieden, wenn ich bereit sei, ihm zum Dank beim Kaffee Gesellschaft zu leisten.
    Ich war über diesen Wunsch derart verwundert, dass ich, ohne ihn einer Antwort zu würdigen, ins Auto stieg und bis zu dem Punkt vorrollte, wo ein Bediensteter der Sylter Verkehrs-GmbH mir mit einem gut gefüllten Stoffbeutel entgegenwinkte. Er trug den Aufdruck »Unser Norden« und war voller Werbematerial. Mehrere Kostproben einer Teesorte, ein Gutschein über einen Euro, der in einer Drogerie einzulösen war, sofern ich mich zum Kauf eines bestimmten Haarshampoos entschloss, ein weiterer Gutschein über ein Glas Prosecco, für den Fall, dass ich geneigt war, in einer Westerländer Pizzeria mein Abendessen einzunehmen. Und als besonderer Clou eine Duschhaube, die mir von einem Apotheker wärmstens ans Herz gelegt wurde.
    Hatte es so etwas vor zwanzig Jahren auch schon gegeben? Ich konnte mich nicht erinnern. Aber das lag vielleicht daran, dass ich vor zwanzig Jahren keine Touristin gewesen war, sondern zu den Einwohnern von Sylt gezählt hatte, denen niemand einen Beutel mit Werbematerial zugesteckt hätte. So viele Jahre! Ein Automat musste damals auch nicht bezwungen werden, ehe der Eintritt ins Paradies gewährt wurde!
    Ich schloss auf meinen Vordermann auf und landete damit direkt vor der Tür der Damentoilette. Eigentlich wäre ich gern im Auto sitzen geblieben, hätte mich so tief wie möglich in meinen Sitz gedrückt und mich hinter meiner riesigen Sonnenbrille und einer dichten Haarsträhne meiner Perücke versteckt. Aber da ich an diesem Tag außer Wasser noch nichts zu mir genommen hatte, musste ich erstens dringend die Örtlichkeit aufsuchen, vor der ich zum Stehen gekommen war, und zweitens unbedingt dafür

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